Backlist: Jean Renoir: Boudu - aus dem Wasser gerettet (1932)

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Backlist

Jean Renoir: Boudu - aus dem Wasser gerettet(1932)

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Eine erste Parallelschaltung von Tramp und feinstem Bürgertum steht am Anfang des Films (fast am Anfang, denn zunächst gibt es, renoirtypisch, Theaterszenen): Boudu ist ebenso sein Hündchen entlaufen wie einer feinen Dame. Die Polizei zeigt sich unterschiedlich hilfsbereit. Dann wird der Haupt-Schauplatz etabliert: der bürgerliche Haushalt von M. Lestingois, in dem im Erdgeschoss Bücher verkauft werden und im Obergeschoss haben die Dame und der Herr des Hauses ihre jeweiligen Zimmer. Nachts begibt sich der Herr ins Diensmädchenzimmer, auf dass beide sich miteinander vergnügen. Eine geregelte Ökonomie der privaten wieder wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen Spielraum ist für Großzügigkeiten der einen wie der anderen: das sieht man auch daran, dass M. Lestingois hin und wieder Bücher an viel vesprechende Kunden verschenkt.

Dann aber springt Boudu in die Seine und M. Lestingois, der wirklich ein gutes Herz hat, springt hinterher, ihn zu retten. Er nimmt ihn in seinen Haushalt auf - und erlebt sein blaues Wunder. Boudu bricht über das vom pater familias (sehr sanft) patriarchalisch zusammengehaltene Haus herein wie ein Unwetter (dessen Natur eine rein soziale Provokation ist). Weit davon entfernt, sich für die Lebensrettung dankbar zu zeigen, entwickelt er seine anarchische Sprengkraft: mit denkbar unfeinen Methoden und denkbar feinem Gespür für die Schwachstellen der Konstruktion. Das soziale Vokabular ist hier in ein komödiantisches übersetzt: die ihre Zoten hinter Anspielungen, griechischen Namen und wohlgesetzten Worten verbergende Salonkomödie trifft auf ungebremsten - und von ihr auch nicht zu bremsenden - Slapstick. Nicht nur erweisen sich die brachialen Mittel von Boudus Anarchie/Komik als denen der zivilisierten Komödie zerstörerisch überlegen, zuletzt laufen die Damen des Hauses gar mit fliegenden Fahnen zum seltsam attraktiven Unhold über. Der Höhepunkt ist eine Vergewaltigung Mme Lestingois', der diese aber nur anfänglichen Widerstand entgegensetzt. Renoir inszeniert diesen Moment derart anzüglich, dass das züchtige Wegschwenken der Kamera ein bloßes einverständiges Scheinmanöver ist.

Durch einen glücklichen Zufall, Boudu gewinnt den Hauptpreis der Lotterie, scheint die Zähmung des Widerspenstigen noch zu gelingen: das eigentliche, seinem sozialen Stand gemäße Objekt seiner Begierde, das Hausmädchen, willigt in die Hochzeit ein. Man sieht die Feierlichkeiten, Boudu ist in Anzug und Hut gezwängt, auch die Familie Lestingois ist demonstrativ wieder vereint und versöhnt. Man unternimmt eine friedliche Bootspartie - und in Erinnerung an den Anfang des Films ist Boudu hier wieder in seinem Element. Durch eine erneute Slapstick-Aktion bringt er das Boot zum Kentern; als wäre es ein chemisches Experiment verbinden sich die zu einander gehörigen sozialen Moleküle nun wieder zu ihrer anfänglichen Formation. Kleider machen keine Leute: Boudu lässt sich den Fluss hinab treiben, weg von der Gesellschaft, reißt sich an Land den Anzug vom Leib, wirft sich in die Lumpen einer am Wegesrand stehenden Vogelscheuche und sagt seinem Hut adieu. Der Rest der Festgesellschaft wird von Renoir zu einem Gruppenbild versammelt, die nasse Kleidung ist abgeworfen, paradiesische Nacktheit wird nur von Blättern und Pflanzen verhüllt. Was sich enthüllt, ist die soziale Natur des Menschen: mag sein, er kann aus seinen Kleidern, keinesfalls aber aus seiner Haut.

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