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Don Siegel: Dirty Harry (USA 1971)

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Don Siegel: Dirty Harry (USA 1971)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Der Film beginnt mit einem Gewehr, einem Schuß, einem Mörder, dem Polizisten, der sich auf Spurensuche begibt. Der Blick des Täters durch das Zielrohr wird kurz darauf wiederholt, ohne Zielrohr, aber es ist derselbe Blick, unrealistisch der Entfernung wegen, ein Blick, den der, der ihn den Schnitt- und Kamerakonventionen zufolge, werfen muß, überhaupt nicht werfen kann. Aber es ist derselbe Blick. Der ihn wirft ist Harry Callahan, Dirty Harry, der Jäger, der sich auf die Spur seiner Beute begeben hat, einer Beute, die selbst Jäger ist und, logischerweise, immer wieder, und einmal mit höchster masochistischer Raffinesse die Rollen vertauscht, selber auf den Jäger anlegt. Die Symmetrie zwischen den beiden wird in den ersten Bildern des Films etabliert, sie bleibt das eigentliche Thema des Films, motivisch unterstrichen durch das hier zum erstenmal einsetzende, in seiner Süßlichkeit kontrapunktische Jagd-Leitmotiv von Lalo Schifrins Musik. Das ist die Exposition.

Jagd ist Thema und Struktur des Films, alles weitere erklärt sich daraus. Spannung produziert sich hier nicht als Aufklärung eines Falles, sondern als Vorbereitung von Begegnungen zwischen Jäger und Gejagtem, aus den Momenten des Anschleichens, den Abbrüchen im Verpassen, Verfehlen, Verwechseln. Psychologie tut nichts zur Sache. Man weiß nicht, was Callahan antreibt (die Sache mit dem Tod seiner Frau bleibt so lapidar wie unklar), sowenig wie man weiß, was Scorpio antreibt. Sichtbar ist nur der Haß, der bei beiden so ähnlich ist, auf dieselben Gruppen, Minderheiten bei beiden, und in Scorpios noch extremerem Fall: Frauen, Kinder, Priester, also, in gewisser Weise: die Friedfertigen. Das Geld als Motiv für Scorpios Taten wird von einer an Wahnsinn grenzenden sadistischen Bösartigkeit stets maßlos überschossen, der Haß ist so grenzenlos und so beliebig, daß eine Erklärung unmöglich ist. Scorpio ist ein Terrorist, aber keiner der Prinzipien hat, gegen Ungerechtigkeit kämpft, sondern das Prinzip Terrorismus selber, in gesellschaftlicher Allgegenwärtigkeit. Er ist nicht zu lokalisieren, am deutlichsten in der schikanös-sadistischen Geldübergabe-Jagd, er ist überall und nirgends, sieht alles, ohne gesehen zu werden, ist die Stimme, die aus dem ortlosen Nichts einer öffentlichen Telefonzelle dringt, eine Stimme, die man hört, als wäre man selbst dem Wahnsinn nahe. Und wenn er gestellt ist, einmal auf dem Dach (die Höhe, der Überblick ist das Komplementärbild zur Allgegenwart), dann in der grandiosen Szene im Stadion, in der er auf der buchstäblichsten Lichtung in die Enge getrieben ist, dann gelingt es ihm, wie durch ein Wunder wieder aufzutauchen, wieder freizukommen. Vielleicht täuscht die Ähnlichkeit zu den Strukturen des Westerns, die schon wegen Eastwood sehr nahe liegt, vielleicht ist Scorpio eher Michael Myers, das Nicht-Totzukriegende an den Bedrohungen, die immer wiederkehrend aus dem Nichts kommen.

Freilich ist das ideologisch Beunruhigende eher die Überblendung der Genres, der Gesetzesbrecher als Monster, als das undomestizierbar und unzivilisierbar Böse, der Gesetzesvertreter als gnadenloser Killer, die Stadt als Wildnis, als Raum, in dem an jeder Ecke die Bedrohung hervorbrechen kann - und hervorbricht. Es ist das paranoide Bild der Stadt, das kunstvoll erzeugt wird: vom Schnitt, von den Kamerablickwinkeln, von ihren Perspektiven, die allzu oft die Callahans sind, es ist just diese - immer wieder brutale Bestätigung findende - Paranoia, die die Mittel, zu denen der zweifellos ambivalente Protagonist greift, beinahe als angemessen erscheinen läßt.

Die Stadt ist dabei nicht einfach nur Wildnis, sondern gerade: Zivilisation im Zustand ihres Rückfalls an Wildnis. Callahan versucht mit den Mitteln und mit dem Gesetz der Wildnis diese auszutreiben, und genau das ist unmöglich und wird zugleich als durchaus effizient dargestellt. Man beauftragt ihn immer wieder, er wird immer wieder alles Augenmaß, Recht und Gesetz für die härteren Mittel der Austreibung aufgeben. Er wird zum Bürgermeister gerufen, in das Gebäude, in dem er es nicht aushält. Das Rathaus ist der typisch amerikanische, neo-klassizistische Architektur gewordene Selbstbetrug von der unerschütterlichen Tradition und Unverrückbarkeit der (in Wahrheit so jungen) Institutionen, eine Art Gebäude, die in noch jedem amerikansichen Justiz- und Gerichtsfilm auftaucht. An diesem Ort, gegen den Callahans Institutionenskepsis angebracht erscheint, bekommt er seine Aufträge, wie gesagt, immer wieder.

Das einzige, was man tut: man versucht ihn zu zähmen durch den Sidekick, der nicht nur mexikanischer Abstammung ist (Chico, der archtypische Junge, gegen den archtypischen Mann) sondern auch Soziologie studiert hat. Ohne daß nun Buchwissen denunziert wird in Konfrontation mit den wirklichen Verhältnissen, wird Callahan durch seinen Kompagnon aufgewertet. Chico ist (infame Konstruktion) die Projektionsfigur gerade für den liberalen Zuschauer, deren Achtung für den Cop, der sich um die dreckigen Jobs kümmert, im Laufe der Zusammenarbeit durchaus steigt. Er nimmt sich selbst, verwundet, aus der Schußbahn und fällt zurück an den Schutzraum der Zivilisation, die Universität, die Beziehung zu seiner Freundin, aber die Trennung der Wege bedeutet nicht Ablehnung Callahans. Dieser geht nach dem Besuch am Krankenbett mit Chicos Freundin in einer grandiosen Sequenz, beobachtet von der Kamera, die außen mit hinunterfährt und Stiege für Stiege näherzoomt, das Treppenhaus hinunter. In der Tür ist die Kamera auf seinem Gesicht, er erzählt, just in diesem Moment, vom Tod seiner Frau. Das ist nicht der Abstieg in psychologische Tiefen (in dieser Hinsicht könnte der Unterschied zu BETROGEN gar nicht größer sein), sondern das ist die Produktion von Einsamkeit, vom endgültigen Abschied von den Gesetzen der Menschlichkeit, die Aufgabe des überraschend gewonnenen Freundes. Aber eines sollte klar sein: so filmt man keine Figur, die man denunzieren will.

Das Ende findet, sehr konsequent, am Schnittpunkt von Natur und Zivilisation statt. Der Steinbruch als Schauplatz ist allegorischer Ort des Übergangs von 'Natur' und kultureller Nutzung. Callahan hat Scorpio tatsächlich ausgetrieben aus dem Inneren der Stadt, und daß das nur eine sehr zeitweilige Befreiung sein wird, dürfte klar sein, noch bevor die erste Forsetzung gedreht wird. Er tut noch den letzten Schritt, tötet das Monster, das täuschend friedlich vom Wasser davongetrieben wird. Fortsetzung folgt.

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