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John Ford: Flesh - Ring frei für die Liebe (USA 1932)

Von Ekkehard Knörer

Erstes Bild, eine Totale: Frauen, die im Kreis gehen. Ein Gefängnishof, ein quadratisch von Mauern umfangener Zirkel. Das letzte Bild: Ein Mann im Gefängnis, eine Frau, die ihn besucht, Hände, die einander durchs Gitter berühren, das sie trennt. Von Gefängnis zu Gefängnis schließt sich ein Kreis. Eine, die in die Freiheit gelangt, bringen einen, der frei war und unschuldig, ins Gefängnis. Eine Moritat, ein Melodram. Auch eine Komödie.

Im Biergarten landet Laura Nash (Karen Morley), als man sie aus dem Gefängnis entlässt. Nicky (Ricardo Cortez), ihr Liebhaber und Spießgeselle, bleibt vorerst im Knast, der genaue Charakter von beider Verbrechen im Dunkeln. Da verharrt, kurz ins Off antelefoniert, nie aber auftauchend, der Dritte im Bunde. Im Biergarten bleibt er aus, Laura hat keinen Pfennig und gerät als Zechprellerin in Schwierigkeiten. Sie ist allemal das, was man ein tough cookie nennt, aber als die Polizei gerufen werden soll, wird ihr doch bang. Es rettet sie der unwahrscheinlichste deus ex machina, er trägt den Namen Polakai (Wallace Beery) - ein Name, der auf der Welt außerhalb dieses idiosynkratischen Films nicht gerade weit verbreitet ist. Mutmaßlich soll er in amerikanischen Ohren urdeutsch klingen. Polakai ist ein Ober und ein Ringer im bayerischen Biergarten seines Freundes Hermann. Ja, der Schauplatz ist Deutschland. Mutmaßlich Bayern, im Hintergrund wird viel Deutsch gesprochen, die Leinwand ist bevölkert mit Originalen, die sich auch in deutschen Heimatkomödien der 30er Jahre ähnlich finden lassen. Turbulent geht es zu beim Bierausschank, allerlei verschüttete Flüssigkeiten sorgen für Heiterkeit der gröberen Sorte. Polakai ringt erfolgreich und hinterher nimmt er ein Bad und trinkt aus einem riesigen Humpen das Bier, das er sich im siegreichen Kampf verdient hat. Mehrfach taucht er unter und wenn er auftaucht, sagt er, auf Deutsch: "Das ist guut." Durchweg spricht Wallace Beery mit einem breiten deutschen Akzent. Dann schlüpft er von der Ringermontur ins Obergewand, schnappt sich ein Bierfass und rettet die amerikanische Lady.

Er rettet sie und nimmt sie auf in seine Wohnung. Die beiden sind ein seltsames Paar und auf der Seltsamkeit der Paarung ruht der Film. Es ist ein merkwürdiges, wackliges Fundament, auf dem er da ruht; es begegnen sich Klischees. Laura als weltläufige Frau unter schlechtem Einfluss und Polakai das Kind im Mann, ohne Arg und des Glaubens an das Gute im Menschen voll. Also verliebt er sich in sie. Und natürlich kann sie einen wie ihn nicht lieben. Zudem ist sie schwanger von Nicky, der bald mit Polakais Ringergeld aus dem Gefängnis befreit wird und als Lauras Bruder auftritt. Nickys Idee: Laura heiratet Polakai und gibt das Kind als dessen Sohn aus. Mit Polakai kann man es machen. Polakai ist sehr knuddelig und Wallace Beery, der im wirklichen Leben ein schwer erträglicher Trinker gewesen sein muss, gibt sich der Teddybärendarstellerei ausdrucksstark hin.

Es geht dann nach Amerika. Das Schiff landet an, die Deutschen warten schon. Die Kamera schwenkt, ein kleiner visueller Gag, von Bullauge zu Bullauge. Dann geht es in den Kampf. "Flesh", ein Film, der zwischen Slapstickkomödie und Betrugsmelodram und Gefängnismoritat schlingert (aber dank John Ford tut er das paradoxerweise locker und leicht wie einer, der je betrunkener, desto gerader geht), wird nun stärker zum Ringerfilm. Als Boxer "The Champ" hatte Wallace Beery im Jahr zuvor jenen Erfolg, der bei "Flesh" leider ausblieb. Karen Morley, die eine Härte in ihre Stimme legen kann, an der noch heute nichts falsch klingt, hat keine große Karriere gemacht. Sterling Hayden hat sie später vor McCarthy denunziert; das war das endgültige Ende ihrer Laufbahn. In John Fords Filmografie fügt sich "Flesh" als quantité négligeable, macht als solche aber gute Figur. Es gibt hier im übrigen, warum auch immer, nicht einmal einen Credit, der John Ford als Regisseur nennt. Es heißt nur: "A John Ford Production". Er hat sich, heißt es, ein bisschen ins MGM-Filmemachen hineintasten wollen mit dem Projekt, an dem ihm nicht viel lag. Auch William Faulkner hatte, uncredited, irgendwie seine Hände im Spiel. Man kann mit "Flesh" ganz hübsch Autorenspurensuche und Handschriftenschnitzeljagd spielen.

Ein paar Mal sieht man den Ring in der Totale von oben, die jener des Anfangs vom Gefängniskreislauf im Freien ähnelt. Hier aber ein Geviert, hier ein Kampf, in dem sich der teutonische Knuddel Polakai als dem amerikanischen Gegner überlegen erweist. Nur geht es mit Schiebung und unsauberen Mitteln zu. Polakai lässt sich darauf ein, weil er Laura liebt. Polakai, der Mann des Biergartens, trinkt jetzt aber Whisky. Es kann also nicht gut ausgehen. Laura, die immer wieder versichert "I like you", "I like you". Aber Liebe ist das nicht. Und Nicky tritt als Polakais Manager auf. Hinter seinem Rücken presst, schlägt, manipuliert er Laura. Er treibt's zu weit, Laura packt aus, Polakai tötet Nicky, der nichts anderes verdient hat. Gleich darauf wird Polakai zum World Champion der Ringer. Er tritt aus dem Ring und wird verhaftet.

Also Gefängnis. Laura besucht ihn, der Kreis schließt sich, Hände greifen am Gitter, das sie trennt, nach einander. Der Film ist dann aus und wird nicht groß, aber sehr eigen gewesen sein.

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