Hiroshi Shimizu: Mr. Shosuke Ohara  (Ohara Shosuke San, Japan 1949)

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Hiroshi Shimizu: Mr. Shosuke Ohara  (Ohara Shosuke San, Japan 1949)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Als am Ende Hab und Gut versteigert, die Existenz zerstört und nichts geblieben ist als das Haus, in dessen leeren Räumen Shosuke-San nun sitzt, zeigt die Kamera, Schnitt um Schnitt, Einstellungen des Gebälks. Das ist der Rest, das  war's und das schiere Holz kontrastiert mit dem Wappen, das man zuvor in korrespondierenden Einstellungen gesehen hat, mit dem Wappen, das Shosuke-San als Mitglied und Nachfahren einer wohlhabenden, hoch angesehenen Familie des Dorfs ausweist, in dem er lebt. Die Bewohner wollen ihn, dieser Herkunft wegen, nicht seiner gegenwärtigen Existenz, sogar zum Bürgermeister machen, er aber lehnt ab und hält die verheerendste Lobrede auf den anderen Kandidaten, die man sich vorstellen kann. Der wird trotzdem gewählt.

Hiroshi Shimizus "Mr. Shosuke Ohara" ist ein Film über ein Haus so sehr wie über den Mann, der darin lebt. Ein Film über Ökonomie, der das Wort auf seine Wurzel - oikos - zurückführt, ein Film über Verausgabung gegen alle wirtschaftliche Vernunft. Zwei Medien dieser Verausgabung stehen gegeneinander: Geld und Sake. Die Sake-Wirtschaft kennt keine Vernunft und die Vernunft der Geldwirtschaft bleibt Shosuke-San gänzlich fremd. Die Alkoholisierung aller Beteiligung, ihre Stillstellung, ihre Entfernung aus den Wirtschaftszusammenhängen der ökonomischen Vernunft ist das nicht erklärte, aber das mit aller Konsequenz durchgeführte Programm dieses Helden. Noch den Einbrechern, die Pech haben, weil sie ins Haus kommen, als es gänzlich leergeräumt ist und die noch mehr Pech haben, weil sie an den seiner Schulden ebenso wie seines Habs und Guts und gesellschaftlichen Rangs beraubten Herrn dieses Hauses geraten, der immer noch seinen Körper hat. Und dieser Körper, man hat es zuvor schon erfahren und gesehen, ist ein aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz trainierter Körper (und der Darsteller einer der großen Actionfilm-Vorkriegs-Stars des japanischen Kinos und das ganze in dieser Weise auch eine Allegorie auf die jüngste japanische Geschichte). Hier an dieser Stelle, als alles zu spät ist, kommen der Körper des Helden von trauriger Gestalt und ein Zweck zusammen, für den rasch überwundenen Moment: Er erledigt die Einbrecher. Danach bietet er ihnen Sake an, um sie zu trösten. Eine letzter Triumph der Verausgabungsökonomie des Alkohols. Sie kennt kein Arg, sie ist der Gegenentwurf zur Schwarzmarktökonomie, der zu gehorchen Shosuke-San mehrfach nahegelegt wird.

Das Haus ist - zunächst - ein Organismus (zuletzt nur noch eine leergeräumte Bühne für ein Endspiel der alkoholinduzierten Menschlichkeit). Was Ozu niemals täte: Shimizu schlitzt es auf, jagt dem Realismus der Darstellung eine Kamerafahrt durch den Leib, zweimal. Eine Plansequenz vom einen Ende des Hauses zum anderen, von Shosuke-San, der sich verleugnen will, aber nicht verleugnen kann, als der Geldverleiher auftritt, um Schulden einzutreiben, über das Regiment der Moderne, verkörpert von Näherinnen, denen Shosuke-San aus Gutmütigkeit, nicht aus Sinn fürs Erwerbsleben, Raum und Nähmaschinen zur Verfügung stellt, hin zu (und auf diesem Weg tauchen auf und verschwinden die Geräusche der Nähgeschäftigkeit) dem Raum am anderen Ende des Hauses, wo der Geldverleiher wartet. Mit Sake sediert wird, die Großaufnahme der Hand. Später die gleiche Fahrt zurück, während der Auktion, die das Haus auflösen wird. Ein letztes Abfahren des Raums, eine Fahrt, die dann bei der Frau landen wird, außerhalb, für die im Grunde, das macht diese Fahrt deutlich, gar kein Platz ist in der (auch: Geschlechter)Ökonomie des Films.

Wie alle großen komischen Figuren des Films ist Shosuke-San kein Individuum, sondern ein Prinzip, sein Name (der nicht der des Individuums ist) ganz entsprechend einem Kinderlied entnommen, das das Schicksal dieses Mannes schildert: Er ging bankrott, weil er schon am Morgen trank, ein Nichtstuer war. Das Prinzip ist freilich schwer zu bestimmen: Er ist kein Tölpel und wird respektiert. Er hat keine Meinung, aber dies - wie in der politischen Lobrede - in höchst subversiver Weise. Er reitet auf einem Esel. Er will dabei sein - ganz zu Beginn, als man ihn zum Baseballspiel lädt - und es geht daneben. Vielleicht ist das Prinzip dies: Keinen Widerstand leisten. Geben, auf dass man in Frieden gelassen wird. Die Welt und all ihre Differenzen und Komplexität aufheben, verschwimmen lassen im Alkohol. Das kann nicht gut gehen, die Welt ist nicht so. Am Ende verlässt Shosuke-San das Haus, das leergeräumte. Abschied vom alten Japan, gewiss, wieder die allegorische Lesbarkeit. Und so viel mehr als das: Ein Mann, den Koffer auf den über die Schulter gelegten Schirm gesteckt, geht die Bahngleise entlang, verschwindet in der Ferne. Das Gegenbild zu "Children of the Beehive", keine Aufnahme in der neuen Gemeinschaft, sondern der Abschied aus der alten Gemeinschaft (seine Frau jedoch ist wieder dabei; das ähnelt der Konstruktion des ohnehin nicht unverwandten Ozu-Film "A Story of Floating Weeds"). Zuvor zeigt der Film einen glänzenden Sinn fürs Episodische. Jetzt aber der Abschluss ins Offene.

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