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Sam Fuller: Pickup on South Street (USA 1953)

Von Ekkehard Knörer 

Es geht um das Ziehen von Linien und seine Schwierigkeiten. Die Moral, der man sich unterwirft, kennt Regeln, die aber nicht generalisierbar sind. Moe verkauft den Freund an die Polizei, aber das ist ihr Job. Eine klare Linie: das Geldverdienen, die Freundschaft, das schließt sich nicht aus, die Moral liegt nicht in Prinzipien, sondern im Ziehen und Beibehalten der Linie. In diese Welt klarer Scheidungen tritt der "Commie" als fremdes Objekt – mit Politik hat das wenig zu tun, denn es geht dem chemischen Experimentalsystem von "Pickup on South Street" nur genau um diesen Fremdkörper, der nicht auf die Seite der Freundschaft fällt und nicht auf die der Profession. Das moralische Prinzip, das Verschiebbarkeiten kennt, kennt keine Aufweichung: Moe lässt sich töten, um den an die Polizei verratenen Freund nicht an den Fremden zu verraten.

Mit einem Griff hinein in die zusammenlaufenden Fäden des Plots eröffnet Fuller den Film. Die genaue Ordnung der Blicke in der U-Bahn erschließt sich zunächst nicht. Die Kamera arbeitet präzise, aber entschlossen expositorisch, gibt das, was sie zeigt, dem weiteren Geschehen zur Klärung auf. Die drei, die hier im Namen des McGuffin versammelt sind, werden sich im Folgenden umkreisen, schlagen, erpressen, lieben, verfolgen, belauern. Im Kern des Films begegnen sich die, die sich in der Szene des Taschendiebstahls am nächsten kommen: Skip, der professionelle Dieb, der seine Zukunft riskiert. Candy, als ahnungsloser Go-Between, vom Mann, in dessen Auftrag sie die Botin spielt, bereits gelöst, auf dem Weg zu Skip, von Küssen zu Bissen, von Bissen zu Küssen schwankend.

Das Zentrum von "Pickup on South Street" sind folglich zwei Großaufnahmen von Küssen: Candy küsst Skip, die Züge verschleiert, die Linien, die sonst so klar sind, verschwimmen zum Ineinander der Züge. Liebe kreuzt und quert die Scheidungen, die die Welt der Figuren bestimmen – und bringt alle Beteiligten erst recht in Todesgefahr. Alles auf einmal kann es nicht geben: Leben, die Frau und das Geld. Candy, von Nüchternheit weit entfernt, trifft die vernünftige Wahl der Leidenschaft und fällt Skip in den Arm, der weitermachen will wie bisher. Das romantische Happy-End ist von einer überzeugenden Kosten-Nutzen-Rechnung nicht zu unterscheiden.

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