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Leo McCarey: The Awful Truth (USA 1937)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Nach neunzig Tagen Scheidungsfrist sind Jerry und Lucy Marriner "back in circulation", wieder im Umlauf. Was davor geschah: Über zwei gar nicht so schwer lastenden, aber als Anlass fürs Folgende gerade recht kommenden Verdächtigungen gerät ihre Ehe ins Stocken und in rasender Eile landen sie vor dem Scheidungsrichter. Eine größere Sorge als die, wer Mr. Smith bekommt, den Hund, haben sie nicht. Es ist ein Spiel und sie wissen, wie man es spielt. Freilich gilt auch: Es steht nichts auf dem Spiel, denn alle Welt ist nur das Material, Anlass zum Amüsement, ein Volltrottel vom Lande, die bessere Gesellschaft, einen Jux kann man sich mit all dem machen. Um das Vorführen geht es und das Sehen, das Ende ist klar, von Anfang an und damit alles Weitere von existenziellen Belastungen frei.

Eine Freiheit, ein Prozess des Sich-Befreiens von den Erwartungen, die durch die Gesellschaft zirkulieren und zur Ehe als Konvention sich verfestigt hatten. Das Zurück in der Zirkulation (das es nie geben wird) als Zurück in der Ehe, aber jenseits der Konvention, als Vorstellung eines ganz utopischen Zirkulierens, ohne Verdacht, ein Anti-Oklahoma. Bis zuletzt verweigert der Film, darin alle moralischen Ansinnen verhöhnend, die Auskunft über das, was geschah: in Florida (recte: "Florida") und mit dem Gesangslehrer auf dem Lande. Sie werden es einander nicht erzählen, die Kamera und das Buch werden es uns nicht erzählen. Die Figuren müssen für keine Sekunde in einen Stand der Unschuld versetzt werden, die Ehe wird als Wiederverheiratung zum Begriff dafür, dass sie endgültig darüber hinaus sind. (Dem Spott zu Beginn zum Trotz: Wo wurde die Ehe je größer gedacht?) Der Film muss das Hays-Office in Raserei versetzt haben, dagegen waren sie machtlos.

Der anarchische Zug verfestigt sich. Gegen Ende sitzt man der Polizei auf dem Schoß und treibt Schabernack mit der Autorität. Ein Wagen geht über die Böschung, die Gesellschaft hat ausgespielt, der Geschlechterkampf, der keiner ist, wird in der letzten Runde in die sublimen Höhen eines Nonsens-Dialogs um Gleichheit und Differenz geführt. Ein Film, den man auch über die Uhren und Fahrstuhlanzeiger erzählen könnte. Willkürliche Setzung der Zeit, Parodie nur noch jeder Idee von Regulation. Der Countdown auf ein fulminantes Ende zu, die schönste, weil auch absurdeste Metapher für Sex, die die Hollywood-Geschichte kennt, als Schlussbild.

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