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Berlinale 2006

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Lukas Moodysson: Container (Schweden 2006)

Von Ekkehard Knörer

Der schwedische Regisseur Lukas Moodysson hat sich mit seinen ersten beiden Filmen "Fucking Amal" und "Zusammen" beim internationalen Publikum beliebt gemacht. Seither aber nimmt er sich die erstaunlichsten Lizenzen, es zu schockieren und zu vergraulen. Sein letzter Film "A Hole in the Heart" brachte einen Amateur-Porno-Dreh auf die Leinwand. Und "Container", nun in der Panorama-Reihe zu sehen, ist auf jeden Fall eines: eine beträchtliche Zumutung.

Schlicht, schwarz-weiß, mit sehr nüchternen Schrifttafeln beginnt es. Und dann stürzt einen der Film in eine schreckliche Welt. Sie ist von Anfang bis Ende dissoziiert, in eine Tonspur und eine Bildspur, beides hat miteinander zu tun, aber zunächst nicht in eindeutig geklärter Weise. Auf der Tonspur zu hören ist die Stimme einer Frau, die in amerikanischem Englisch und in monotonem Singsang den auralen Stream-of-Consciousness liefert zu den extrem körnigen Bildern, die aussehen wie mit einer 8-mm-Kamera gedreht.

Ein dicker Mann bewegt sich durch eine vermüllte Wohnung. Die Stimme der Frau auf der Tonspur ist das Ich zu diesem Mann, der sich für eine wunderschöne Frau, ja, einer Schauspielerin in einem hässlichen Körper hält, von aller Welt begehrt, von Paparazzi verfolgt. Klatsch-Nachrichten von Paris Hilton bis Brad Pitt bis Kylie Minogue werden in den unablässig im selben Ton vor sich hin nölenden Singsang eingespeist. Das Ich, das hier spricht, ist krank, es jammert, es beklagt das Elend der Welt. Zu seinen Obsessionen gehören auch Katastrophen, der Weltkrieg, Tschernobyl, das Ende der Welt. Währenddessen sind Bilder von Müllhalden zu sehen, der dicke Mann verklebt sich mit Tesa das Gesicht, bindet sich eine kleine Plastikpuppe vor den Mund.

Eine Frau kommt, im Bild, ins Spiel. Der dicke Mann trägt sie, sie ist, das scheint recht klar, die Frau in seinem Innern, nach außen projiziert. In einem fort fluten die Bilder, der Müll, der Mann, die Frau, in einem fort fluten die Worte, die Katastrophen, das Elend der Welt. In den besten Momenten bekommt das etwas Hypnotisches, in den schlechteren versteht man den nicht unbeträchtlichen Teil des Publikums ganz gut, der das Weite sucht.

Lukas Moodysson, ein kleiner Mann mit Schal und Hut in Schwarz, flammend gelbe Intarsien in den gleichfalls schwarzen Schuhen, trägt im Q&A hinterher zur Aufklärung über das, was man da eben gesehen hat, nicht gerade Sachdienliches bei. Wie der Text entstanden ist, kann er eigentlich nicht genau sagen. Die beiden Darsteller, die neben ihm stehen, versichern, den Film zum ersten Mal gesehen zu haben. Sie stehen offenkundig unter Schock. Das ist, sagt die Frau, die eigentlich Tänzerin ist und das imaginierte Schauspielerinnen-Star-Ich im Innern des dicken Mannes darstellt, das ist nicht das Drehbuch, das ich gelesen habe.

Falls Moodysson mit seinem Film allgemeine Ratlosigkeit erzeugen wollte: Es ist ihm gelungen.

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