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BERLINALE 2001

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von Sascha Rettig

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CHOCOLAT

USA 2000
Regie: Lasse Hallström
mit Juliette Binoche, Johnny Depp, Lena Olin

Info


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KRITIKENSPIEGEL

JUMP CUT KRITIK von Sascha Rettig
KANN DENN SüßES SÜNDE SEIN?

Schokolade macht dick. Schokolade ist schlecht für die Zähne und sowieso ist diese süße Sünde in Zeiten des Fitness- und Schlankheitswahns eher Gefahr als Genuss. Der Schwede unter den Hollywoodregisseuren, Lasse Hallström ("Gottes Werk und Teufels Beitrag"), versucht sich jetzt an der Ehrenrettung des schmackhaften Kakaoprodukts mit seiner romantisch-zauberhaften Komödie "Chocolat", die auf dem Roman "Schokolade - Eine himmlische Verführung" von Joanne Harris basiert und in der die magische Kraft der Schokolade beschworen wird.

Als sich Ende der 50er Jahre im französischen Dorf Lansquenet-sous-Tannes der Wind dreht und plötzlich aus Norden weht, verschlägt es die geheimnisvolle Vivienne (Juliette Binoche) mit ihrer Tochter Anouk (Victoire Thivisol) in das verschlafene Nest. Sie wird eine Chocolaterie eröffnen - gegenüber der Kirche, zur Fastenzeit und in einem Dorf, in dem die sogenannte "Tranquillité" das Leben der Einwohner bestimmt. Tradition, Moral, Anstand und Sitte sind die Werte, die den Lebensrhythmus hier, in der tiefsten französischen Provinz, bestimmen. Besonders dem strengen Comte de Reynaud (Alfred Molina) ist die Chocolaterie, dieses neue Zentrum des Genusses und der Erquickung der Sinne ein Dorn im Auge. Er ruft seine Gemeinde zum Boykott dieses geheimen neuen Mittelpunkts auf, in dem Vivienne mit ihrem Schokoladengeheimrezept Hoffnungen und Träume, aber auch Enttäuschungen und Lebenslügen ihrer Konsumenten zu Tage bringt. Vivienne verändert das Leben der Dorfbewohner und befreit sie von alten Zwängen. Die Auseinandersetzung mit dem Comte eskaliert aber erst, als der fremde, freigeistige Zigeuner Roux (Johnny Depp) auftaucht und Vivienne hilft die kleine Stadt endgültig von ihren überholten Traditionen zu befreien...

"Es war einmal..." heißt es zu Beginn von "Chocolat", und dieser erste Satz erscheint wie ein Versprechen, das Märchenhaftes und Magisches verspricht. Doch schon nach kurzer Zeit schimmert die Magie nur noch selten durch, und der Kampf um Sinnlichkeit und Befreiung von äußeren Zwängen fällt bisweilen recht unsinnlich und mit einigen Längen aus. Es geht um brutale Ehemänner, eingeschüchterte Enkelsöhne und enttäuschte Liebe. Und über alledem steht die Botschaft, das Leben zu genießen und in allen seinen Facetten zu leben. Erst am Ende wird das Versprechen eingelöst, denn erst da ist der Film wieder vollkommen Märchen - mit Happy-End und geläutertem Bösen.

"Chocolat" erzählt viele Geschichten. Das einzige Problem ist nur, daß er sie unterschiedlich gut erzählt. Manches hat man schon häufiger gesehen, anderes, wie die Liebesgeschichte zwischen Depp und Binoche, ist langweilig und uninspiriert erzählt. Versöhnt wird man mit Kleinigkeiten, wie den zarten Anbandelungsversuchen des alten Guillaume Blerot (John Wood) bei der Witwe Madame Audel (Leslie Caron), die bereits seit dem Ersten Weltkrieg um ihren Mann trauert.

Die Besetzung von "Chocolat" ist hochrangig. Ungewöhnlich ist allerdings, daß Juliette Binoche die Hauptrolle darin spielt, war sie doch bisher häufig die spröde und kühle Schönheit und keine Schauspielerin, die üppigen und sinnlichen Genuß verkörpert. Aber dennoch paßt sie in diese bittersüße Komödie, weil ihr dieses Geheimnisvolle und auch etwas Verschmitztes innewohnt. Besser ist da nur noch, wie gewohnt, Dame Judy Dench mit ihrer forschen, aber gleichzeitig auch menschlich-warmherzigen Art.

Lasse Halström hat immer wieder gezeigt, wie wichtig es ihm ist, keine eindimensionalen Figuren in seinen Filmen zu zeigen. Er bemühte sich immer um Menschlichkeit und um Brüche in den Seelen seiner vom Leben gezeichneten, aber nie resignierenden Schützlinge. Genau das versucht er auch in "Chocolat", doch leider vermag das, sicherlich auch aufgrund kleiner Schwächen im Drehbuch, nicht immer zu gelingen. Der Wirt Serge (Peter Stormare) strampelt sich ab, sich vom prügelnden zum liebevollen Ehemann zu entwickeln, bleibt aber letztendlich doch im Klischee stecken und auch dem bösen Comte, der sich so gegen Neues, gegen Genuß und Leidenschaft wehrt, wird am Ende eine zwar durchaus angekündigte, aber doch eher gezwungene Wandlung abverlangt.

Am Ende bleibt dann das Gefühl, daß man ein Praliné gegessen hat, das beim Kauen mal süß und mal bitter schmeckte, die Sinne aber längst nicht so betören konnte, wie die der Einwohner von Lansquenet-sous-Tannes.

Zeit

taz

SZ

FR

noch keine Kritik Gab es bei "Gilbert Grape - irgendwo in Iowa" oder der John-Irving-Verfilmung "Gottes Werk und Teufels Beitrag" neben einer Ansammlung von Skurrilitäten auch noch ernst zu nehmende Konflikte, Spannungen und Zumutungen, die sich nicht mit einem Lächeln erledigten, hat sich Hallström hier restlos von der eigenen Inszenierung verzücken lassen. Birgit Glombitza Das Jungmädchenlächeln der einen und die schmerzgeweiteten Augen der anderen sind die Masken eines Films, der ein Märchen sein will, aber immer nur Zuckerguss zustande bringt. „Chocolat“ ist von einer süßlichen Klebrigkeit, die jegliche Lebendigkeit verkleistert. Michael Althen Am Ende hat sich die Milch der guten Denkungsart in Schokolade verwandelt, und wenn man einen Satz hört wie: "es ist nicht einfach, anders zu sein", trifft's einen wie ein Zuckerschock. Peter Körte

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