15 Minuten Ruhm

USA 2001
Regie: John Herzfeld

Rezension von Ekkehard Knörer

15 Minutes verfolgt über lange Zeit zwei parallele Erzählstränge, deren einer die amerikanische Gesellschaft in Form ihrer Helden zeigt, deren anderer ihr das karikaturistisch verzerrte Spiegelbild in Gestalt zweier osteuropäischer Krimineller vorhält. Bild wie Spiegelbild verkünden dasselbe. Die Botschaft ist so platt wie in ihren Im- und Explikationen reaktionär, die Verdopplung ist redundant, die Inszenierung spekulativ, der Film als ganzer widerwärtig.

Mit der digitalen Videokamera als Aufzeichnungsmedium hat das Kino zu einer neuen Ästhetik gefunden, die im dänischen Dogma idealtypisches Programm geworden ist. Nicht als Gebot, sondern als Angebot zur Beschreibung der dem Medium inhärenten Potentiale ist das von Interesse, die Ausfaltung in den ersten Dogma-Filmen beeindruckt und belegt, wieviel Wahrheit, wieviel genaue Analyse der Rhetorik der digitalen Videokamera in den Dogmen steckt. Die Ästhetik ist nun auch in Hollywood angekommen, der großartige Eklektizist Steven Soderbergh hat sie verstanden und in Traffic klug und geschickt eingesetzt. Das Zeitalter der Epigonen, die nichts verstanden haben, ist, schneller als man fürchten durfte, mit 15 Minutes angebrochen.

Es beginnt damit, dass die Videokamera diegetisch eingeführt und damit entschärft wird. Schlimmer noch: sie wird denunziert als ein Medium, das den Irren der Welt zu 15 Minuten blutigen Ruhms verhilft, als Zuliefer-Medium für das nach Reality gierende Fernsehen. Gezahlt wird, so die These des Films, nur noch in einer Währung: dem Sensationswert des Bildmaterials. Gesendet wird alles. Der durch und durch korrupte Nachrichten-Star macht sich selbst allerdings die Finger nicht schmutzig. Die eigentliche Gefahr, so die (natürlich schon immer handelsübliche) Ideologie, kommt von außen. An den beiden Schurken wird allerdings eine Umkonnotierung des Feindbildes Osteuropäer deutlich: die Bedrohung des medialen Kapitalismus besteht nicht mehr in der kommunistischen Gegenvision, sondern im Übereifer der Nachahmungstäter, die den Kapitalismus nur zu gut verstanden haben, und zugleich als die Tiere, die sie sind, über alle Stränge der halbwegs funktionierenden Mäßigungsmechanismen schlagen. Im blutigen (Miss)Verständnis käme dann aber auch die Traumfabrik zu sich selbst: Der Möchtegern- Regisseur outet sich gleich zu Beginn als Bewunderer des Frank-Capra-Films "It's a wonderful life" (eine der vielen auf den zweiten Blick richtig dummen Pointen des Films), gibt sich später gar den Namen seines Vorbilds.

15 Minutes ist in seiner Bodenlosigkeit am ehesten mit Oliver Stones Natural Born Killers zu vergleichen, der Gewalt mit Lust an der Gewalt zu kritisieren versuchte. John Herzfelds Film hält es mit derselben Strategie: er weidet sich an der Bestialität und projiziert alle Lust, die er zeigt und zugleich hervorruft, auf die das Fremde gewordene Externalisierung der Amoral. Das so auf die andere Seite gebrachte Böse wird, in verräterisch komplizenhafter Freude an seinem Wüten, in aller Ausführlichkeit vorgeführt, damit sich die Moral, die man für die zur eigenen erklärte Seite verbucht, alles erlauben darf. Unter dem Deckmantel von Medienkritik treibt man es schlimmer als die kritisierten Medien in ihren schlimmsten Momenten. Die reaktionäre Verhöhnung des liberalen Rechtssystems erledigt sich im selben Aufwasch. Und hinaus läuft es - natürlich - auf die Wonnen der Lynchjustiz, die hier ein neckisches Feigenblatt trägt und in dieser durchsichtigen Rechtfertigung den Faschisten im Bürger zur öffentlichen Äußerung seines gesunden Empfindens kitzelt: als der Schurke am Ende abgeknallt wird, hat das ganze Kino heftig applaudiert.

Startseite