Aimee und Jaguar

D 1998
Regie: Max Färberböck

Rezension von Ekkehard Knörer

Vielleicht wäre der Film gerne großes Kino, er ist aber nur exzellentes Fernsehen. Er strebt nach der geschlossenen Form, behindert sich aber selbst durch gewisse dramaturgische Unbeholfenheiten, wie etwa die überflüssige Rahmenhandlung, und eine viel zu komplizierte Exposition, die erst einmal gehörige Langeweile aufkommen läßt. Das ohne Zweifel akribisch rekonstruierte Dritte-Reich-Setting wird hin und wieder zu didaktisch in den Vordergrund gespielt, durch die erklärende Off-Stimme etwa - dennoch hat der in gewisser Weise anti-opulente Pappkartonrealismus mit der eher kammerspielartigen Kameraführung seine Reize, vor allem den, gehörigen Abstand von emotionaler Überwältigungsästhetik zu nehmen in Richtung fernsehartiger Kleinformatierung.

Im kleinen Format, im Angesicht der unaufdringlichen Kamera, der soliden, aber nicht brillanten mise-en-scène steht und fällt alles mit den Schauspielern - und hier hat kann der Film einen Trumpf nach dem anderen ausspielen: von Hans-Christoph Blumenberg und Peter Weck in kleinen Nebenrollen bis zu Detlev Buck, der, je penetranter er als Regisseur wird, sich als umso subtilerer Schauspieler zu entpuppen scheint. Wie er den Ehemann als bedrohliches und widerliches Arschloch anlegt und zugleich einen Rest Mitleid für ihn aufkommen läßt, ist schlicht großartig. Und Maria Schrader und Juliane Köhler erweisen sich in der Tat als ganz und gar bärenwürdig. Schrader verkörpert die nicht männer-, sondern frauenmordende Felice mit aller Verve und scheinbaren Unbeeindruckbarkeit perfekt - und läßt den Abgrund der bodenlos bedrohten Existenz doch keinen Augenblick vergessen. Juliane Köhlers Lily scheint in ihrer passiven, von Felice erst einmal völlig überwältigten (als Aimée schon im Namen sofort ins Passiv gedrängten) Rolle zunächst aufzugehen, unsicher, linkisch, undurchschauber auch für sich selbst - und gewinnt im Laufe der Zeit doch immer deutlicher Statur in ihrer Ambivalenz, schutzbedürftig und zugleich schutzgebend, abhängig von Felice und zugleich das Äußerste fordernd.


Sobald der Film sich vom aufdringlich Dokumentarverhafteten entfernt und auf die Liebesgeschichte einläßt, diese nicht auf die Momente der Überwältigung reduziert, sondern in ihrer labilen Alltäglichkeit und Beiläufigkeit gewähren läßt, fesselt er und verknüpft das Geschehen umso gelungener mit dem zeitgeschichtlichen Hintergrund. Das ist keine kleine Leistung und man darf von Max Färberböck noch manches erhoffen. Vielleicht sogar, eines Tages, einen Kinofilm.

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