Amores Perros

Mexiko 2000
Regie:
Alejandro Gonzales Iñárritu

Rezension von Ekkehard Knörer

Amores Perros erzählt drei verschiedene, in Ton wie Sujet sich durchaus unähnliche Geschichten, die vereint sind vor allem durch das eine: die Liebe zum Hund. Dadurch auch, dass es in keiner dennoch vor allem um den Hund geht, der vielmehr Mittel zum Zweck des Menschen wird. Der Pointierung der Menschenliebe, in drei Variationen: als Leidenschafts- und Eifersuchtsdreieck zwischen Octavio, Ramiro und Susana in der ersten, der unter keinem guten Stern stehenden Liebe zwischen Valeria und Daniel in der zweiten und der Liebe des Vaters zur verlorenen, verloren gegebenen Tochter in der dritten. Darunter, dazwischen, dabei: der Glücks- und Unglückshund Gofi, dessen Mordlust Octavio das Geld einbringt, mit dem er die Liebe Susanas eben doch nicht erkaufen kann; der unselige Richi, der zerrüttende unterirdische Wühlarbeit an einer Beziehung leistet; El Chivos Rudel, das kein gutes Ende nimmt.

Das Muster des Verknüpfens, die Art, wie das eigentlich, auch personal, Unverbundene in zeitliche und räumliche Nähen gerückt wird, das hat Iñárritu aus den USA, von Altmans Short Cuts, von Tarantinos Pulp Fiction. Jedoch, und daher will es einem - anders als etwa Guy Ritchies Filme - gar nicht epigonal vorkommen, es sind nicht bloße Effekte, auf die der Film damit aus ist. Eher ist es der mittlerweile bewährte Einsatz einer komplizierten narrativen Kreuzstichtechnik, eine beträchtliche Kunst, die nicht mehr die Sensation des Neuen macht. Den Zentral- und Knotenpunkt des Erzählstranggeflechts stellt Iñárritu an den Beginn: die rasanteste Szene, eine wilde Autoverfolgungsjagd, in die man kommentarlos hineingeworfen wird, erweist sich später als die Dichte-Stelle, an der die Hauptfiguren aller drei Geschichten aufeinander treffen, mit Knall und Unfall Octavio und Valeria, in Gestalt einer illegitimen Erbschaft Octavio und El Chivo.

Wenn eine der Figuren das Zentrum dieser zentrifugalen Geschichtentrias ist, dann der Ex-Sandinist, Ex-Häftling und jetzige Auftragskiller und Penner El Chivo, und zwar gerade dadurch, dass er ständig unterwegs ist in den Straßen von New Mexico, als kaum wahrgenommener Beobachter, dessen weitere Metamorphose unmittelbar bevorsteht. Ausgerechnet der Kampfköter Gofi (herübergespielt aus der ersten in die dritte Geschichte) führt durch seinen Mord an El Chivos Hunden eine Katharsis herbei. El Chivo hat keine Lust mehr auf Mord, erteilt vielmehr dem Auftraggeber und seinem Opfer in spe eine bittere, aber auch sehr komische Lektion in Bruder-Moral - womit, nebenbei, das Feindliche-Brüder-Motiv aus der ersten Geschichte wieder aufgenommen wird.

Am konventionellsten, weil in der Entwicklung wie den drastisch-lakonischen Pointen der Geschichte ganz offenkundig aus der Tradition der amerikanischen Short Story (Carver, Ford & Co.) stammend, ist der zweite Teil, der das Model Valeria und den erfolgreichen Chefredakteur Daniel - der durch kurze noch unerklärte Schnitt-Sprengsel bereits im ersten Teil eingeführt wurde - in frischer Liebe und neuer Wohnung vereint. Die Wohnung jedoch wird, wofür der in einem Loch im Boden verschwundene Hund Metapher wie Anlass ist, zum Schauplatz eines Unheils, das sich zur Lektion zum Thema Vergänglichkeit von Ruhm und Glück ganz unerbittlich auswächst. Das geschieht jedoch ebenso subkutan wie in den anderen beiden Geschichten, zur Unkenntlichkeit verpackt in genauer Beobachtung des Zwischenmenschlichen (für El Chivo ist dieses Zwischen eine große Kluft), vermischt in der innigen Verknüpfung von Schicksal, dummem Zufall und Fehleinschätzungen.

Die wenig optimistische Stimmung von Amores Perros zeichnet sich ab in der Entfärbung der Bilder. Grau und kalt sind sie, ein ganz anderes Mexico hier als das gelb gefilterte von Soderberghs Traffic. Mitten drin ist immer die Kamera, im Gemenge der Kampfhunde genauso wie hautnah an den sich liebenden, sich hassenden Figuren der ersten wie der zweiten Geschichte. Der Blick, im Drängen des Dabeiseinwollens oft verwackelt, kommt von unten, erlaubt nie die distanzierende Draufsicht, kaum einmal die orientierende Totale. Die Kamera arbeitet hier, der Drehbuch-Vorlage von Guillermo Arriaga Jordan gemäß, im Short-Story-Modus. Der eine oder andere ihrer Schlenker ist wie das eine oder andere Detail der Geschichten überflüssig, zu sehr verdeutlichend, alles in allem aber passt das eine zum anderen, verbinden sich die drei Erzählungen zu einem komplexen, kunstvoll ineinander und gegeinander gearbeiteten Ganzen.

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