Jump Cut
Aktuelle Kritiken

Startseite -  Inhaltsverzeichnis - Klassiker - Archiv - Links - Forum - Mail

 

Hinweis:  

Sie haben ab sofort die Möglichkeit, im Jump-Cut-Amazon-Partnershop von uns ausgewählte, aber auch sämtliche bei Amazon erhältliche Produkte zu kaufen. Ein Teil der Einnahmen kommt uns zugute.
 

Stefen Fangmeier: Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter (USA 2006)

Von Lars Zwickies

In einem fernen Land vor langer Zeit herrscht ein dunkler Fürst der Finsternis mit eiserner Faust über sein geknechtetes Volk. Dort lebt ein unbedarfter, verwaister Jungspund auf der Farm seines Onkels im Ländlichen. Nicht viel weiß man hier von den großen Kriegen der Vergangenheit, und auch ansonsten schätzt man eher das Gediegene. Es ist ein gutes, wenn auch etwas langweiliges Leben. Eines Tages gelangt besagter Jungspund durch Zufall in den Besitz eines hochbrisanten Artefaktes, das ein dunkles Geheimnis birgt und den Weg zu einer entführten Prinzessin weist. Als sein Onkel von den Häschern des düsteren Regimes auf der Suche nach jenem brandheißen Unikat getötet und der Agrarbetrieb niedergebrannt wird, macht der niedergeschlagene Junge die Bekanntschaft eines heruntergekommenen Alten - der sich jedoch bald als kompetenter Lehrmeister in Fragen des Schwertkampfes und der Magie entpuppt. Gemeinsam machen sich beide auf, die Prinzessin zu retten, wobei ihnen ein actionorientierter Heißsporn mit losem Mundwerk und aggressiver Grundhaltung behilflich ist. Nach der glorreichen Befreiung der adeligen Schönheit aus den Händen des Imperators und seines diabolischen Sidekicks schließen sich alle Beteiligten einer kleinen Gruppe von entschlossenen Rebellen an. Gemeinsam startet man einen verzweifelten letzten Angriff auf die Festung des Bösen und erringt einen triumphalen Sieg. Doch noch ist der Krieg nicht gewonnen …

So weit, so Star Wars. Fügt man dem Ganzen noch einen telepathischen Drachen mit der Stimme von Nena (im Original weitaus gnädiger: Rachel Weisz) hinzu und verlagert den charakteristischen Plot aus dem Lucas-Universum in eine generische Fantasy-Welt mit allem was dazu gehört, bekommt man im Großen und Ganzen das heraus, was mit Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter den Auftakt einer neuen gewinnversprechenden Kino-Franchise nach Art von Der Herr der Ringe und Die Chroniken von Narnia bilden soll. Basierend auf dem Erstlingsroman des damals gerade mal 17-jährigen Christopher Paolini ist hier ein Film entstanden, an dem zunächst einmal die bodenlose Frechheit auffällt, mit der er den Plot aus Episode IV bis in kleinste Einzelheiten kopiert. Das ist schamlos, aber angesichts der literarischen Vorlage auch irgendwie verständlich. Denn der durchschnittliche 17-jährige Nerd und SciFi-Fan orientiert sich offensichtlich auch Jahrzehnte nach dem Kinostart immer noch am Archetypus der modernen Space Opera (Lucas' diverse Vorbilder jetzt mal außen vor). Verknüpft mit klassischen Fantasy-Topoi, die Paolini vor allem seinem Lieblingsautor Tolkien entlehnte, repräsentiert sein Roman eine Hybrid-Mischung aus diesen beiden Monolithen der massenkompatiblen Phantastik - und erstaunlicherweise funktioniert das alles gerade in der filmischen Umsetzung gar nicht mal so schlecht, weshalb die zunächst etwas dreist erscheinende Langfinger-Mentalität des Autors bald schon nicht mehr besonders negativ ins Gewicht fällt.

Denn im Gegensatz zu beispielsweise Peter Jacksons mit jeder weiteren DVD-Edition immer absurder werdenden Langzeit-Epen verkürzt Stefen Fangmeier in seinem Regiedebüt die Handlung des Romans aufs Wesentliche. Zugegeben, dabei fällt eine Menge Wissenswertes über Geschichte und mythologischen Background der bunten Völkchen dieser Welt unter den Tisch. Vollständigkeitsfanatiker dürfen hier also zu Recht meckern. Der Rotstift wird jedoch zum Wohle einer recht schlank erzählten Fantasygeschichte gezückt, die immer nah an ihren Figuren bleibt, dadurch klassische Identifikationspotenziale bietet und vor allem erstaunlich unterhaltsam ist. Man merkt diesem Film an, was er will - und genau das erreicht er auch. Nicht immer besonders elegant und durchaus hin und wieder etwas eckig und ungelenk, aber immer irgendwie sympathisch. Da kann man eigentlich nicht wirklich böse sein.

Und überhaupt, Der Herr der Ringe. Der Vergleich liegt natürlich nahe und wird gerade im Rahmen des Crossmarketing immer wieder gerne bemüht, seitdem Jackson mit seiner Trilogie die Vorweihnachtszeit im Kino für alle Zeiten fantasymäßig überkodierte. Nun muss mit schöner Regelmäßigkeit in jedem Jahr ein neuer Streifen her, in dem die Schwerter krachen und die Bärte wuchern. Natürlich entstanden dabei Bilder, die für das Genre mittlerweile konstitutiv sind - und die auch Eragon gerne bemüht. Jedoch versprüht das Ganze (trotz des 100-Millionen-Dollar-Budgets) oft eher den angenehmen Charme einer bunten tschechischen Märchenverfilmung als die monochrome Aura eines bierernsten Pseudo-Historienspektakels aus Neuseeland. Alles wirkt hier ein kleines bisschen billig und ein wenig zu laut - sei es der nicht gerade begnadete Hauptdarsteller Ed Speleers, sein freches Lederhosen-Outfit, der wenig überzeugende CGI-Drache, die Hubschrauber-Cam über Osteuropa oder das irre Zähnefletschen von John Malkovich in der Rolle des fiesen Herrschers Galbatorix. (Ja. Galbatorix ist sein Name.) Auch Jeremy Irons, den man mittlerweile ja wirklich in sowas erwartet, ist mit von der Partie und spielt den Obi-Wan mit einer angenehmen Mischung aus ganz subtiler Ironie, abgeklärtem Altstar-Appeal und sichtbarem Vergnügen. Hier bewegt sich der Film auf einem schmalen Grat zwischen ernst gemeintem Fantasyepos und flamboyantem Camp - ohne jedoch seine Intentionen zugunsten wirklichen Trashs zu verraten. Dieser konstant gehaltene Ton trägt in entscheidendem Maße zur Unterhaltsamkeit bei und lässt oft über klar erkennbare Defizite wie den etwas konfusen Schnitt und die ein wenig unbedarfte Handhabung diegetischer Geografie hinwegsehen.

Wenn dann am Ende die unvermeidliche Megaschlacht ihren Lauf nimmt, wird's leider wieder mal unübersichtlich - auch das kennt man ja mittlerweile, und fackelschwingende Orks können eigentlich wirklich niemandem mehr zugemutet werden. Und trotzdem ist Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter unterm Strich ein Film, der trotz - oder gerade wegen - seines dreisten Plagiarismus, seiner etwas handgemachten Anmutung und seines Prager Charmes auf harmlose und äußerst unerwartete Art und Weise unterhält. Nicht mehr und nicht weniger.

Suchen
 
Google
Web Jump Cut