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Rezension: Erwin Blumenfeld: Einbildungsroman

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REZENSION

Erwin Blumenfeld: Einbildungsroman

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Erwin Blumenfelds 'Einbildungsroman' ist kein Roman, sondern eine Autobiographie. Beinahe könnte man sogar glauben, es handele sich um so etwas wie Memoiren, denn Blumenfeld ist als Fotograf durchaus eine Berühmtheit. In Wahrheit aber handelt es sich glatt um das Gegenteil, denn Blumenfelds Erfolgsjahre, der Erfolg überhaupt, spielen eine durchaus untergeordnete Rolle. Das Buch ist auch keineswegs ein Bildungsroman, der die Formung des Protagonisten nachzeichnete, die Jahre des Künstlers als junger, erwachsener und alter Mann. Es gibt eine Chronologie, aber es ist die des Schelmenromans, in dem sich nichts entwickelt und bildet, sondern ein komischer Heiliger als Held  in dem, was ihm widerfährt, der Welt den Spiegel vorhält.

Der Schelmenton liegt wesentlich nicht in dem, was passiert, sondern in der Haltung des Erzählers dazu, der in diesem Falle behauptet, mit einer realen Person, Erwin Blumenfeld, identisch zu sein. Selbstverständlich ist er das nicht und schon die ersten Sätze, die den Mutterbauch respekt- und geschmacklos als erstes KZ erinnern, machen das deutlich. Das Ich des Buches, der deutsche Juden Blumenfeld, betrachtet sich selbst mit einiger Geringschätzung, was dazu führt, daß ein Subjekt, ein Ich nur auf ganz unsentimentale Weise vorhanden ist im Buch, so daß man glauben könnte, man vermisse es - aber was man vermißt (und nach ein wenig Nachdenken sehr gerne) ist mehr die geschwätzige Üblichkeit eines Ichs, das der irrigen Meinung ist, sein Allerweltsleben müsse für alle Welt von Interesse sei, nur weil es das eigene ist. Blumenfelds Ich - ohne Zweifel ein Konstrukt der Autobiografie, denn leben läßt sich sowas, ohne wahnsinnig zu werden, nur ansatzweise - ist präsent als, durch Eitelkeit oder Scham etwa, nicht zu bestechender Beobachter der Weltläufte. Und diese stellen sich bereits der präzisen vorgeburtlichen Beobachtungsgabe als völlig rettungslos dar. Die Schilderung der Jugend ist eine lupenreine Haßerklärung an die eigene Familie (ein wunderbares Foto zeigt den singulär griesgrämigen Blumenfeld mit fünf oder sechs im Kreise seiner, nun ja..., man muß das sehen). Die Lehrzeit bei Moses und Schlochauer lehrt fürs Leben, immerhin, die eindeutige Botschaft bestätigt sich hinfort immer wieder und sie ist so simpel wie vom mehr als abwechslungsreichen Leben Blumenfelds aufs interessanteste und groteskeste variiert: der Mensch ist von Natur aus eigennützig, herzlos, unsensibel, ein Wolf dem anderen und nächsten. Die Welt eine Geltungsbedürfnisanstalt, sagt Blumenfeld.

Seine Haltung zum Ganzen ist weder gleichgültig noch moralisierend. Vor nichts würde er den Blick je abwenden; je schauderhafter ist, was er sieht, desto gnadenloser und präziser werden seine Beschreibungen. Diese Präzision hat eine Sprache, die ihresgleichen sucht. Ohne das Berlinische ist sie nicht denkbar. Sie ist verliebt (mitunter, vor allem zu Beginn, bis an gewisse Grenzen meiner Toleranz) ins Spielerische, Wortvirtuose, Schnoddrige. Behagliche Formulierung gibt es keine einzige. Der Erzähler ist ein dartschleudernder Jupiter; kurze Bewegungen aus dem Handgelenk, die immer mitten ins Ziel treffen. Man möchte seitenweise zitieren, oder vorlesen. Ein Buch also, mit dem man nur eines tun kann: es lesen und es lieben, mitsamt seiner Hauptfigur, die, angetäuscht selberlebensbeschreibend, in Wahrheit ein viel zu lange ignorierter Wechselbalg der deutschen Literatur ist. 23 Jahre nach einer ersten, ins französische übersetzten Ausgabe ist der Band nun, mit äußerst glücklich gewählten Fotografien Blumenfelds versehen, in der Anderen Bibliothek erschienen.

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