Rezensionen: Arkadi & Boris Strugatzki: Eine Milliarden Jahre vor dem Weltuntergang

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Arkadi & Boris Strugatzki: Eine Milliarden Jahre vor dem Weltuntergang

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Eine Kritik von
Alexander Goeres

Zugegeben, das Buch ist etwas älter. Mitte der 70er Jahre wurde "Eine Milliarden Jahre vor dem Weltuntergang" von den Brüdern Strugatzki geschrieben. Es lohnt sich aber dennoch, diesen Klassiker zu lesen.

Er beschreibt das schwere Leben, oder einen Teil dieses Lebens des Physikers Maljanow. Der sitzt schwitzend in seiner Wohnung und arbeitet am kreativen Teil eines physikalischen Problems, das er schon "M-Kavernen", "Maljanow-Kavernen" nennen will. Er hat für Ruhe gesorgt, Frau und Kind sind glücklich in die Ferien geschickt, und die Ideen fließen. Aber er hat sich verrechnet. Fehlgeleitete Telefonate stören, er bekommt unerwartet einen Geschenkkorb mit Delikatessen. Und die Störungen häufen sich je entschlossener Maljanow versucht, sich wieder an seine Arbeit zu machen. Eine Freundin seiner Frau erscheint mit einem Empfehlungsschreiben seiner Frau und fragt, ob sie nicht übernachten dürfe. Ein Nachbar erschießt sich, Maljanow wird daraufhin von einem "Tonton Macoute" befragt, ein Baum wächst über nacht im Hof. Maljanow versucht sich Rat bei Freunden zu holen und sie erkennen schnell das Schema, das sich hinter den Störungen verbirgt: Maljanow soll daran gehindert werden, seine Arbeit über diffuse Materie zu vollenden. Doch wer versucht diese Entdeckung zu verhindern und warum? Maljanow lernt über seine Freunde Menschen kennen, die ebenfalls bei ihren Forschungen behindert wurden, einige wurden sogar von außerirdischen Gnomen mit roten Haaren bedroht. Anderen erschienen Agenten eines "Bundes der Neun". Wieder ein anderer wird pausenlos von verflossenen Geliebten bedrängt und auch der tote Nachbar scheint irgendwie "dem Druck nicht standgehalten" zu haben. Die Hypothesen über das Warum reichen von einer Superzivilisation, die versucht, die Menschheit in ihrer Entwicklung zu behindern bis hin zu einem "homöostatischen Universum", das sich allen Versuchen es zu erkennen verweigert und in dem es zu diesem Zweck eben auch Felder gibt, "zu deren Quanten ein rothaarige Wicht im Leichenanzug gehört".

Die meisten der Menschen, die Maljakow kennenlernt, haben aufgrund dieses Druckes ihre Arbeiten aufgegeben und sind stellenweise erbärmlich normal geworden. Allerdings nur die meisten, nicht alle. Ein Freund, Wetscherowksi, wird auch von solchen unerklärlichen Phänomenen geplagt, entschließt sich aber, seine Arbeit weiter zu verfolgen. Maljanow versucht erst weiterzuarbeiten, entscheidet sich aber letztendlich, seine Arbeit ebenfalls aufzugeben. "Großer Gott! Maljanow, D.A., kontra Homöostatisches Weltbild! Das war ja weniger als eine Blattlaus unterm Ziegelstein. Weniger als ein Virus im Sonnenzentrum..." Die Unterlagen überläßt er seinem Freund Wetscherowski, der entschlossen ist, die Ursache dieser Phänomene zu enträtseln."Wetscherowksi schwieg, mir jedoch schien es, als spreche er weiter. Wir können uns Zeit lassen, sagte er. Bis zum Weltuntergang sind es Milliarden Jahre, sagte er. In Milliarden Jahren kann man viel, sehr viel schaffen, wenn man nicht aufgibt und begreift, begreift und nicht aufgibt."

Dieses Werk in der Übersetzung von Welta Ehlert bei Suhrkamp erschienen hat so einiges in sich. Es fällt schwer, sich zu entscheiden, ob es sich dabei um ein Märchen handelt oder um Science Fiction . Wenn man Stanislaw Lem folgt, muß man das nicht, SF sind moderne Formen von Märchen, und das ist in diesem Falle auch gut. Es bietet jeden gewünschten Raum für Interpretationen. Historisch Interessierte werden bemerken, daß es zu Hochzeiten der SU geschrieben wurden und es wäre sehr erstaunlich, wenn es damals in dieser Form dort erschienen ist. Die Allegorie auf einen totalitären Staat, in welchem Bürger unter Druck geraten ohne zu wissen wieso, nur weil sie sich mit eigentlich unverfänglichen Dingen beschäftigt haben, ist unübersehbar. Je autokratischer der Staat ist, desto stärker erscheinen seine Repressalien wie unausweichliche Naturkatastrophen. Andererseits entsteht jedes Buch beim Lesen immer wieder neu und das Gedankenspiel um die Widerborstigkeit der Natur ist auch für sich genommen schon faszinierend. Fast jeder wird sich wohl an Experimente im Physik- oder Chemie-Unterricht in der Schule erinnern, die eigentlich hauptsächlich den Vorführeffekt demonstrierten, als das betreffende Lehrthema. Der Stil, in welchem diese Geschichte geschrieben wurde, ist lebendigst und wie man es häufig bei russischen Autoren findet, schwankt die Erzählung zwischen Tragödie und komischer Groteske.

Alles in allem, ist "Eine Milliarden Jahre vor dem Weltuntergang" ein absolutes Muß für diejenigen, die sich auch für philosophischere Werke der SF interessieren und denen die reine Hardcore SF und klassische Space-Märchen um Sternenkönige und Planetenprinzessinnen nicht ausreichen. Gerade deshalb kann man es eigentlich auch bedenkenlos solchen Leuten vorsetzen, die behaupten, sich nie für SF-Literatur zu interessieren. Leider ist dies Buch sehr dünn, nur magere 130 Seiten und damit auch schnell alle, aber gottseidank haben die Strugatzkis noch sehr, sehr viel mehr geschrieben, was dem Leser dieses Werkes alles zur eigenen Erkundung zutiefst anempfohlen wird. Viel Vergnügen!

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