Zur Druck-Version Kinofest Lünen 2001

.

Jump Cut Filmkritik
__________________
Magazin für Film & Kritik:
Rezensionen und News.

Impressum


Videos bei Amazon
Videos & DVDs bei Amazon

.

Bahman Ghobadi: Zeit der trunkenen Pferde

Iran 2000

Schwesterseiten

Auteur.de - Lexikon der Regisseure
Comix-Corner - die Comic-Website
Crime-Corner - die Krimi-Website
Literatur-Corner - die Seite für Literaturkritik
SciFi-Corner - die Science-Fiction- Website

Theater-Corner - die Theater-Seite
.

Archiv

Filmkritik
Filmbuchkritik
Filmklassiker
Alle alten Kritiken in der Übersicht
.

Interaktiv

Forum
Diskutieren Sie über Filme und/oder unsere Kritiken!

Mail
Was immer Ihnen an uns passt oder nicht passt.

...
.

Zur Druck-Version Kinofest Lünen 2001
Bericht von Christoph Elles

 

Es herrscht mal wieder Gedränge auf dem schmalen Schlauch von Flur im Lüner Kino Lichtburg. Auch beim 12. Kinofest in der Kleinstadt nördlich von Dortmund ist Warten auf den Einlass ohne die stickige Enge und schweißtreibende Wärme des Foyers kaum vorstellbar. Ab und an drängen von hinten wichtige Menschen mit gelben, orangen oder weißen Namensschildern nach vorne: "Tschuldigung, ich muss mal durch." Til Schweiger braucht kein Namensschild. Seine jugendlichen, meist weiblichen Fans erkennen ihn auch so. Nach ein paar Autogrammen am Eingang aber betritt er den Flur und wird fast zum Besucher unter vielen. Berührungsängste oder Ehrfurcht gibt es nicht in Lünen. Die Bussi-Gesellschaft ist kurzfristig abgemeldet. Dieter Landuris fährt sich nervös durchs Haar, als überlege er, sich ein Namensschild geben zu lassen: D. Landuris, Schauspieler.

Der ehemalige Krimiheld ("Alles außer Mord") ist an diesem Wochenende einer von vielen Darstellern, die eine gute Leistung an einen schwachen Film verschenkt haben. In "Null Uhr 12", dem krampfigen Regiedebüt eines anderen Krimihelden, Bernd Michael Lade aus dem "Tatort", gibt Landuris einen Vertreter, dem der Alltag zur Hölle wird. Auch Meret Becker spielt mit, Isabella Parkinson und Lade selbst. Aber was hilft das, wenn das Drehbuch schön schematisch nach dem Baukastenprinzip gepuzzelt wurde. Apropos puzzeln: Thomas Jahn, der filmende Taxifahrer, dessen Karriere mit "Knockin' on heaven's door" begann und nach "Kai Rabe" mit Recht beendet schien, hat offenbar zu viel Tarantino, Guy Ritchie und Lasse Spang Olsen gesehen. Sein groteskes Gaunerstück "Auf Herz und Nieren", in Lünen als Weltpremiere außerhalb des Wettbewerbs zu sehen, erwies sich als ärgerlicher, sinnlos hipper Zusammenschnitt bekannter Versatzstücke. Voller austauschbarer Charaktere, schlechter Witze und von entlarvender Kaltherzigkeit. Applaus gab es trotzdem, in Lünen bleibt man höflich.

Den Unterschied zwischen Höflichkeit und Begeisterung konnte man kurz darauf ermessen. Die erste öffentliche Vorführung der Politkomödie "Was tun, wenn's brennt" wurde von Szenenapplaus begleitet und später minutenlang umjubelt. Gregor Schnitzlers Film erzählt davon, wie Träume und Freundschaften ihr Haltbarkeitsdatum überschreiten. Im unpolitischen Deutschland des Jahres 2000 werden sechs ehemalige Freunde von ihrer politischen Vergangenheit in der Linkenszene Berlins eingeholt. Eine 1988 von ihnen deponierte Bombe explodiert, die Polizei stößt auf Beweismaterial, das die sechs entlarven kann. Also finden sich ein Werbefuzzi, eine alleinerziehende Mutter, ein Anwalt, eine Restaurantbesitzerin und zwei immer noch linke Bazillen nach Jahren wieder zusammen, um in die Asservatenkammer der Polizei einzusteigen. Der Film verbindet urkomische Momente mit einer erfrischend unpädagogischen Nachdenklichkeit: Wo landen wir mit unseren Träumen, fragt Schnitzler. Wie wichtig sind Freunde, wie wichtig die Karriere? Und wofür lohnt es sich zu kämpfen, privat wie politisch? Wichtige Fragen verpackt in Bilder, die die Worte geschickt untermauern, karikieren oder in Frage stellen. Kein Wunder, dass die Zuschauer Schnitzlers meisterhaft inszeniertem Film den mit 15.000 Mark dotierten Filmpreis der Stadt Lünen zuerkannten.

"Was tun, wenn's brennt" landete damit knapp vor dem anderen überragenden Film des Festivals: Benjamin Quabecks "Nichts bereuen". Auch bei ihm geht es um Träume und Freundschaften, allerdings in früherem Stadium. Daniel (Daniel Brühl), der Held des Films, ist 19, hat sein Abi, aber noch nie mit einer Frau geschlafen. Seit vier Jahren, das sind 1480 Tage, liebt er Luca (Jessica Schwarz), die so nett ist wie sonst nur dicke Mädchen. Im Laufe des Films lernt Daniel eine Menge Dinge über Liebe, Sex und Altenpflege. Es hat wohl seit Jahren keinen deutschen Film gegeben, der so wahrhaftig und fühlbar in die seltsame Zeit des Erwachsenwerdens eingetaucht ist - wenn die Träume verschwommen, aber riesengroß sind und die Liebe wunderschön, traurig und rätselhaft.

So bewegend und echt war kein anderer Film in Lünen. Erstaunlich viele erstickten unter dem eigenen Kunstanspruch, bevor sie überhaupt lebendig werden konnten. "Die Reise nach Kafiristan" von Fosco und Donatelli Dubini war das beste Beispiel: Die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach (Jeanette Hain) und die Ethnologin Ella Maillart (Nina Petri) reisen im Jahre 1939 nach Afghanistan und lernen sich unterwegs lieben - leider in leblosen, allzu literarischen Dialogen und einer spannungslosen Erzählstruktur. Besser, aber ähnlich beladen mit dem eigenen Anspruch: der Eröffnungsfilm "Annas Sommer" von Jeanine Meerapfel, der immerhin schöne Bilder und gute Momente bot; die Low-Budget-Satire "Planet der Kannibalen" von Hans-Christoph Blumenberg, die trotz witziger Einfälle keinen wirklichen Spannungsbogen fand; und schließlich Michael Gutmanns Film "Herz über Kopf", die Liebesgeschichte zwischen einem rebellischen Schulschwänzer (Tom Schilling) und einem polnischen Au-pair-Mädchen (Alicja Bachleda-Curus), die ihre guten Darsteller leider zu oft zwischen Sozialkitsch und abgedroschenen Klischees einsperrt.

So blieb das Programm trotz zweier großartiger Filme insgesamt etwas hinter dem Vorjahr zurück, doch - und auch das ist eine Besonderheit des Lüner Festivals - dem Gesamteindruck schadet das kaum. Man muss einfach erlebt haben, wie auf buchstäblich engstem Raum eine entspannte, freundliche, kommunikative Atmosphäre entsteht. Aufgekratzt, aber stets mit voller Übersicht, wuseln die Direktorinnen Elfriede Schmitt und Ute Teigler von Saal zu Saal, präsentieren die Filme und ihre Macher, nehmen sich Zeit für Gespräche, wecken den Eindruck, nicht geschäftsmäßig, sondern hochengagiert, beinahe leidenschaftlich bei der Sache zu sein. Im Foyer steht lächelnd Kinobesitzer Gerd Politt und genießt sichtlich seine Rolle als großzügiger Gastgeber. Die Eröffnung donnerstags findet im benachbarten, ebenfalls viel zu kleinen Gemeindesaal statt, samstags geht es ins Stadtbad zur Poolparty mit gemeinsamem Staffelschwimmen. So wird die Gefahr von Provinzialität in puren Charme verwandelt. Der bleibt bestimmt auch nächstes Jahr erhalten, obwohl der schmale Flur der Lichtburg dann gegen das Foyer des neu gebauten Großkinos eingetauscht wird.

Zur Druck-Version

zur Jump Cut Startseite

.

Suche


powered by crawl-it
.

Newsletter

Anmelden zum Jump Cut Newsletter mit wöchentlichen News und Updates

Powered by KBX7

.

Jump Cut Partner

DVDs & Videos
Suchbegriffe:



In Partnerschaft mit Amazon.de

.

Jump Cut Partner

www.BlackStar.co.uk - The UK's Biggest Video Store
.

Internet Movie Database


Filmtitel Person
Powered by www.IMDb.com