Jan Kounen: Blueberry (F 2004)

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Jan Kounen: Blueberry (F 2004)

Regie: Jan Kounen

Mit Vincent Cassel, Michael Madsen, Juliette Lewis

F 2004

Start: 1.7.2004

 

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Jan Kounen: Blueberry (F 2004)
Kritik von Ekkehard Knörer


  

Info mit Kaufgelegenheiten


Ein paar Tipps zu Moebius und dem Umfeld. Moebius' vielleicht größtes Werk ist der nach surrealistischen Vorbildern (oder einfach nach Maßgabe der konsumierten Drogen) strukturierte Comic "Die hermetische Garage des Jerry Cornelius", der nur noch für sehr viel Geld antiquarisch zu bekommen ist (hier z.B.). Die seit vierzig Jahren erscheinende Blueberry-Serie ist mittlerweile dank mehrerer Spin-Offs ein bisschen unübersichtlich, manches gibt es noch zu kaufen, manches nicht mehr: hier die Amazon-Seite. In der Incal-Serie, zu der Alejandro Jodorowsky das Szenario schrieb, sind sechs Bände (Amazon) mit Zeichnungen von Moebius erschienen - das ist eher was für Sci-Fi- und Esoterik-Fans. Jodorowskys Filme, von manchen kultisch verehrt, sind notorisch schwer aufzutreiben, aber es gibt sie, z. B. als Japan-Import zu sagenhaften Preisen. Und als Einführung in das Werk von Moebius ist der von Andreas Platthaus in der Anderen Bibliothek herausgegebene und mit einer sehr instruktiven Werkbeschreibung versehene Band "Zeichenwelt" bestens geeignet (Amazon). Jan Kounens "Doberman" ist derzeit leider nicht greifbar.

 

"Blueberry" ist der beste französische Western-Comic. Big Deal, sagen Sie. Ich kenne ihn nur vom Durchblättern, aber viele Kenner schätzen ihn sehr. Außerdem ist "Blueberry" die realistischste Seite des großen Comic-Künstlers Moebius, der in die unterschiedlichsten Stilarten, Genres, Projekte zerfällt. "Blueberry" ist das Werk von Jean Giraud (richtiger Name), nicht von Moebius (Pseudonym) oder Gir (anderes Pseudonym). Moebius ist - oft, auch nicht immer - ein Experimentator (siehe etwa sein psychedelisches 70er-Jahre-Hauptwerk "Hermetische Garage des Jerry Cornelius"), der tief in esoterische Gefilde abgedriftet ist, schon gar in Zusammenarbeit mit dem vielleicht begnadeten Irren Alejandro Jodorowsky (vgl. El Topo), für den er eine Weile lang die Incal-Serie zeichnete und für dessen Wüstenplanet-Verfilmung er das Design entwarf. Nur kam diese Verfilmung nie zustande und David Lynch setzte das Projekt dann in einzigartiger Weise in den Sand. Der Giraud von "Blueberry" war stilistisch immer der konventionellste. Moebius' Fantasy, selbst keineswegs einheitlich, lebt von der Durchdringung des Organischen und des Mechanischen, von kargen Wüstenszenarien und fantastischen Kristallen und Ornamenten. Girauds Reimagination des amerikanischen Westens ist phantasievoll, aber sie verbleibt in den Grenzen ihres Genres. Moebius, sollte man also meinen, tut für eine Verfilmung des "Blueberry"-Comic nichts zur Sache. (Hier ein paar Eindrücke.)

Dann aber hat man die Rechnung ohne Jan Kounen gemacht, der ein Mann mit einer Vision ist. Er ging in die Wüste und wollte nicht wiederkommen, fabuliert das Presseheft. Er war dem Schamanismus verfallen und das Kino interessierte ihn nicht mehr. Kounen hatte als Werbefilmer begonnen, mit "Dobermann" für Aufsehen gesorgt, den ich nicht kenne, der den Ruf eines zynischen und gewalttätigen Bravourstücks hat. Die Sache mit dem Schamanismus als Geschichte einer Läuterung vielleicht (man fragt sich ja, worauf solche Legenden hinauslaufen), statt eines am Gegenstand desinteressierten, ins eigene Können verliebten Regisseurs nun einer, dem es existenziell ernst ist. Der Schamanismus jedenfalls ist im Film und nicht zum Spaß. Kounen hat - mit seinen Koautoren, darunter Polanski-Autor Gerard Brach - "Blueberry" genommen und randvoll gefüllt mit esoterischem Indianerkram. Eine freie Adaption, heißt es. Eine "Jan Kounen Session" heißt es. Den Fans des Comics dürften die Haare zu Berge stehen. Ihr Held trinkt Drogentränke und channelt Carlos Castaneda. Wenn Sie Castaneda gelesen haben, dann kennen Sie das Zeug: Angstvisionen, Flug und Treiben im Haltlosen. Und man kennt auch die Bilder, das ist das Bedauerliche daran. CGI des Matrix-Kalibers. Krabbeltiere zwischen Mechanischem und Tierischem, übereinander geblendet, die Kamera fliegt hindurch und nähm dich gerne mit auf diesen Trip. Aber zum Trip gehörte das Unbekannte, das Verblüffende oder die Droge, die dafür sorgt, dass du glaubst, was du siehst. Hier siehst du nur, was du kennst.

Was du nicht kennst, ist die Mischung. Ein Western, der ein paar Motive des Genres zusammenklaubt, die Rache, die Grenze zwischen westlicher Zivilisation und Indianischem, und sie vollpumpt mit der Droge, die Spiritualität heißt. Der Plot fällt dabei in Stücke, aber dagegen spricht nichts. Das Bemühen, gelegentlich, die Einzelteile zusammenzuschütteln, aber es ist nicht unbedingt ein ganzer Sinn, der dabei herauskommt. Sinnstückchen en masse, das ja. Und diese Sinnstückchen werden auf den Trip geschickt, dessen Bilder du kennst. Auch von Moebius. Das ist das Verblüffende: Lichtkringel, Wüstenbilder, fantastische Organismen, das ist an Moebius orientiert. Kounen hat, sei es ergänzt durch redlich erworbene Second-Hand-Esoterik und den neueren Stand der CGI-Fantasy-Ästhetik, "Blueberry" mit Moebius infiziert. Und das wuchert jetzt, tief hinein in die Geschichte, tief hinein in die Botschaft. Blueberry sucht, findet, bekämpft seinen inneren Dämon. Seine Vergangenheit holt ihn ein, im Drogenrausch, der die Wahrheit enthüllt. Die Kounen-Session ist eine Therapie-Sitzung. Die Verkörperung des Bösen, die Michael Madsen hier spielt, ist nicht die Verkörperung des Bösen, sondern die Verkörperung der Verdrängung der eigenen Vergangenheit. Ein scharfkantiges Sinnstück, weiß Gott. Blueberry muss da durch, wir müssen da durch, ein Western ist das nicht. Der Film ist kein Triumph, er ist prätentiös, er ist oft langweilig. Aber er will so viel. Er will viel Falsches. Und er scheitert. Aber man muss so viel erst mal wollen können. Und sein Scheitern macht Eindruck.

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