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Kazuhiro Soda: Campaign (Japan 2007)

Von Ekkehard Knörer

Yamauchi Kazuhiko ist ein Mann auf dem Weg nach oben. Die in Japan - vielleicht nicht mehr ganz - allmächtige LDP hat ihn nominiert für eine nicht unwichtige Nachwahl für den Stadtrat von Kawasaki. Also Wahlkampf, und das ist eine anstrengende Angelegenheit. Es besteht vor allem aus An-Ecken-Stehen und So-oft-wie-möglich-den-eigenen-Namen-Rufen, Leute-Belästigen und vor den Parteioberen buckeln. Yamauchi buckelt viel. Er ist ein Anfänger und also hat er noch viel zu lernen von den "Sensei". Überhaupt scheint das der Schlüsselbegriff für das, was man hier sieht. "Sensei" heißt zunächst so etwas wie Lehrer - im Grunde aber, glaubt man sehr schnell zu begreifen, beschreibt es die Person, vor der man buckeln muss, die Person mit mehr Erfahrung, mit mehr Macht. "Sensei" ist ein Hierarchiebegriff und "Campaign" ist ein Dokumentarfilm als Bildungs-, naja, jedenfalls Erziehungsroman.

Nur dass Yamauchi-San zum Helden eines solchen nicht recht taugt. Eher ist er der Pikaro, der irgendwie immer alles falsch macht. Man sympathisiert mit ihm, er ist wirklich ein Netter, er gibt sich Mühe. Du musst alle drei Sekunden deinen Namen sagen, rät man ihm. Also sagt er alle drei Sekunden seinen Namen. Du musst den Leuten, wenn du, nach dem Schütteln, ihre Hände los lässt, in die Augen sehen.Auch das lernt er. Du musst auf deine Winkel achten, immer dein Gesicht den Leuten zuwenden. Yamauchi will alles richtig mache, aber noch am Wahlabend stößt er die versammelte Riege seiner "Sensei" vor den Kopf. "In früheren Zeiten hätte er Harakiri begehen müssen", sagt einer, und es ist nicht wirklich ein Scherz.

Die Kamera ist immer dabei, auch in den wenigen Momenten von Intimität, die einem wie Herrn Yamauchi auf seinem Weg nach oben verbleiben. Seine Frau, die er auf Geheiß der "Sensei" und des ihm zur Verfügung gestellten Wahlkampfteams, nur mit dem konservativen Begriff für Ehefrau vorstellen darf (der Begriff impliziert "Hausfrau"), hat irgendwann genug. Sie gibt den sexistischen Unterstützern Yamauchis, die von ihr verlangen, ihren Job aufzugeben, Widerworte. Das war nicht gut, sagt ihr Mann, und man sieht ihn förmlich zusammenzucken vor den "Sensei", die gar nicht da sind. Der Weg zur Macht läuft, das bekommt man selten so anschaulich vor Augen geführt, über die Internalisierung der "Sensei".

Man lernt viel in "Campaign" - und darf sich sehr sicher sein, dass das anderswo, sagen wir in Deutschland, alles nicht viel anders läuft. Vielleicht wird etwas weniger selbstverständlich gebuckelt und sich verbogen, aber Händeschütteln lernen und Aufwartung machen und den Förderern innerhalb der Partei und außerhalb dankbar sein, all das gehört dazu zur Politik als Beruf, solange jedenfalls, bis man ein "Sensei" ist mit Macht und Befehlsgewalt. Yamauchi-San ist ein netter Kerl, aber man wünscht sich einen wie ihn nicht als Politiker. Die Partei hat ihn sich ganz offensichtlich ausgeguckt, weil er, im Leben als Briefmarken- und Münzhändler nicht über die Maßen erfolgreich, gefügig zu sein verspricht. Und alle machen ihm klar, dass sie ihn bei der dann folgenden, regulären Wahl nicht in gleicher Weise unterstützen werden. Es ist, im Grunde, eine traurige Geschichte.

(14.2.2007)

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