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Dexter, Folge 1-4 (Adapted by James Manos Jr., USA 2006)

Von Ekkehard Knörer

(Folge eins bis vier)

Die Serie basiert auf dem Roman "Darkly Dreaming Dexter" von Jeff Lindsay. Sie ist am 1.10.2006 auf dem Kabelsender Showtime gestartet. Der Besuch der Website lohnt sich.

 

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Dexter ist ein faszinierendes Monster. Er ist ein Killer von Natur, alles Menschliche ist ihm fremd. Darum weiß er. Deshalb spielt er. Wir spielen alle nur Theater? Dexter ist an keinem Punkt mit seiner gesellschaftlichen Rolle identisch. Davon gibt er Zeugnis, im Voiceover-Ich. Ich bin Maske, sagt er. Ich tue so, als gehörte ich dazu, aber ich bin das Andere, ich bin aus der Art geschlagen. Dexter wird nicht humanisiert, er ist nicht humanisierbar, er ist der Dreh- und Angelpunkt der Serie. Ihr Held, wenn je eine Serie einen Helden gehabt hat, aber nicht als Identifikationsfigur, sondern eben: als Faszinosum. Wie stellt die Welt sich dar, die Welt, in der wir leben, wenn wir sie mit den Augen des ganz und gar asozialen Monsters sehen?

Das Monster hat sich dem Gesetz des Vaters unterworfen. Der Vater - ein Cop - hat eine Linie gezogen, die Dexter nicht überschreitet. Wir haben uns Dexter, im Rahmen seiner aus der Art geschlagenen Natur, als moralisches Wesen vorzustellen. Dexter tötet, und mit Genuss. Aber er tötet nur die, die selber Scheusale sind. Mörder, Vergewaltiger, Serientäter ohne Einsicht und Reue. Sie legt er, statt seiner, nackt auf den Tisch. Sie fesselt er, statt seiner, mit Zellophanfolie. Sie traktiert er, statt seiner, mit Bohrern und Sägen. Sie zerteilt er, statt seiner, vor unseren Augen. Das ist nötig, denn hier bekommen wir das Monströse vor Augen und Ohren geführt. Es ist immer wieder nötig, denn unversehens humanisieren wir, dem Voiceover-Ich lauschend, seinem Täuschungshandeln folgend, das Nicht-Humane.

"Dexter", die Serie, ist eine Versuchsanordnung. Ihren großen Reiz zieht sie aus der Verfremdung. Schauplatz ist Miami, und ähnlich wie bei den Hoke-Moseley-Romanen Charles Willefords ist der Kontrast von Sonne und Abgrund von entscheidender atmosphärischer Bedeutung. Noch das Licht der Sonne ist nicht, was es scheint. Michael C. Hall ist als Darsteller Dexters die Harmlosigkeit selbst. Michael C. Hall gibt Dexter als vollendeten Darsteller eines Selbst, das er nicht ist. "Fall nicht auf" ist das Gesetz des Vaters, und (fast) keinem fiele er auf, spräche er nicht, offen und ehrlich, zu uns. Dexter staunt über die Menschen, die ihn umgeben. Seine Schwester, die auch Polizistin ist. Und die Freundin, die er sich erwählt hat, weil auch sie, als Vergewaltigungsopfer, beziehungsunfähig ist. (Oder scheint. Dexter sieht sich bald mit dem Unerwarteten konfrontiert.)

Dexter ist von Beruf Forensiker, sein Fachgebiet: Blut. Tatorte verwandelt er in bizarre, aber auch bizarr schöne Blutinstallationen aus roten Fäden, die er von den Spritz-Drippings an Wand und Boden aus auf die imaginäre Hand des Täters zurücklaufen lässt. Dexter sieht sich konfrontiert mit, herausgefordert von einem Serienkiller, seinem Spiegelbild. Der tötet blutlos, genauer gesagt: er drainiert und verpackt die bleichen Leichenteile, stellt sie dann aus. An öffentlichen Plätzen erst. Auch die Arrangements seiner Opfer sehen aus wie moderne Kunst. (Bizarr schöne moderne Kunst. Think Matthew Barney.) Es geht dabei - der Serie - nicht um die widerwärtige Ästhetisierung von Mord und Leichen, sondern, im Gegenteil, um die Ausstellung ihrer eigenen Künstlichkeit. Es soll und darf kein Realismusverdacht aufkommen: Diesen Rahmen für die Versuchsanordnung zieht "Dexter" ein ums andere Mal neu.

Es kommt, in der Spiegelung der Killer, zur Anähnelung. Sie erkennen einander. Der Unbekannte beginnt sein Spiel mit Dexter. Er tötet nun blutig. Er begibt sich in Dexters Vergangenheit, er stiehlt sich in die Fotosammlung und stellt entstellend nach, was er sieht. Er macht Polaroids seiner eigenen Wiederholungsinstallationen und er macht Dexter ein Geschenk. In diesem Geschenk aber verkennt er sein Gegenüber, das dem Gesetz des Vaters untersteht. Dexter sieht sich herausgefordert, auch zur Infragestellung der eigenen Moral: Wieviel Ich bin ich, als Killer? Wieviel Ich ist in der Annahme der Regeln des Vaters?

Dexter, das Monster, fragt sich nach dem Kern seines Wesens. Er ist ein Killer. Er folgt, als wäre es das eigene, dem Gesetz des Vaters. Verbergung seines wahren Wesens ist ihm zweite Natur. Dieses dreifache Selbst unterliegt der Beobachtung im Voiceover-Kommentar. Für uns, die Betrachter und Zuhörer, fällt Dexter auseinander in den, der er ist, und den, der er scheint. Und da wir ihm lauschen und da wir ihn sehen, wird dies zu unserer doppelten Perspektive auf die Welt. In aller Künstlichkeit lässt "Dexter" die roten Fäden seiner Perspektivinstallation in Dexter konvergieren, der in der Welt ist und aus ihr fällt. Und an dem Punkt, an dem die Fäden konvergieren, finden auch wir uns, fasziniert und erschrocken, wieder. So, und nur so, identifizieren wir uns mit dieser Figur.

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