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Aditya Chopra: Dilwale Dulhania Le Jayenge (Indien 1995)
 

Kritik von Ekkehard Knörer 

Er füttert die Tauben des Westens und sehnt sich nach den Tauben des Ostens. London-Punjab und zurück. Der Vater, der die Tochter in Indien versprochen hat. Die Tochter, die sich in einen Fremden verliebt. Erster Teil, London, Europa. Unabhängig voneinander begeben sich der junge, in London lebende, Maserati fahrende NRI Raj Malhotra (gespielt von Shah Rukh Khan, der ein paar Jahre später, in Aditya Chopras zweitem Film "Mohabbatein", haargenau denselben Rollennamen tragen wird) und die traditionell erzogene junge, in London lebende NRI Simran Sing (Kajol) mit Freunden auf etwas, das sich Europareise nennt, wobei Europa, von einem kurzen Auftritt des Eiffelturms auf einem Plakat im Hintergrund abgesehen, durchweg verblüffende Ähnlichkeit mit dem hat, was uns aus Bollywood-Filmen als die Schweiz bekannt ist. Die Kuhglocken werden dann noch in Indien läuten, um das Läuten der Glocken der arrangierten Hochzeit zu verhindern. (Das ist jetzt eine christliche Redensart, aber gar nicht so fehl am Platz, da in den Liebesprojektionen zwischen Raj und Simran eine christliche Kapelle ihre ins Komische, mitnichten aber ins Lächerliche gezogene Rolle spielt.)

Schon im Bahnhof kommt, was kommen muss. Erst verfehlen sie sich, dann sitzen sie im selben Zugabteil vor verschlossener Tür, er neckt sie, sie ziert sich, in Paris spielt er Klavier und sie staunt. Eine Annäherung in einer Scheune, sie betrinkt sich, es passiert natürlich nichts, von schwungvollem Irresein im Schnee abgesehen und weiteren Tändeleien auf die Pause zu, nach der wir in Indien sind. Der Simran Versprochene und mit ihr bald Verlobte ist einer, der auf Tiere schießt und große Reden schwingt. Raj schleicht sich ein, gewinnt allerlei Herzen im Sturm, nur das eine nicht, auf das es ankommt: das strenge Vaterherz. Da hilft nicht das Füttern von Tauben und nicht die sofort erlangte Wertschätzung der im Stillen frauenbewegten Mutter, der frühreifen und altklugen Schwester. Es verguckt sich zudem die Schwester des Bräutigams in ihn, Raj, den Geliebten der Braut. In diese Verwicklungen platzt Rajs Vater, der auch nicht gleich alles richtig versteht und zuletzt eine ordentliche Abreibung bekommt.

Zur ausgewachsenen Tragödie aber will es DDLJ nicht recht bringen, nicht der Absicht nach und nicht der Wirkung. Zu gut ist die Laune schon auf der Reise durchs verschweizerte Europa, zu überzeugend Shah Rukh Khan als Schlawiner mit goldenem Herzen und goldenen Wasserhähnen. Im Tanz vorweggenommen wird sehr vorzeitig die Wiederholung des Eurail-Trips (mit freilich bald davongefahrenem Zug) als imaginierte Hochzeitsreise von Braut und Bräutigam. Den liberalen Werten, die es im Auge hat und stets im Auge behält, nähert das Buch sich auf sanftesten Pfoten. Liebesehe ja, mehr Freiheit für Frauen auch, aber ohne den Vater geht es nicht. Am Gelingen dieser Auflösung laboriert der Film, mit ihm Raj, mit List, Tücke und zuletzt jener echten Überzeugung, die DDLJ zum Plädoyer für evolutionäre, nicht revolutionäre Veränderungen macht. Alle Politika aber steckt Aditya Chopra in seinem Debüt raffiniert ins Unterfutter einer Geschichte, die unendlich oft erzählt ist, selten aber noch mit so viel Charme und schön dosierten Mischverhältnissen von Albernheit und Romantik. Immer wieder, vom Abschreiten einer Ahnengalerie der Gescheiterten, bis zu den getanzten Wirkungen alkoholischer Getränke, überrascht das Drehbuch und macht diesen ersten, zum Muster für allerlei Nachfolger taugenden Riesenerfolg mit NRI-Thematik zum ungetrübten Vergnügen. Nicht mehr, nicht weniger.

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