Schwerpunkt Japan: Takashi Miike: Ichi der Killer  (2001)

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Takashi Miike: Ichi der Killer  (2001)

Japan 2001

Regie: Takashi Miike

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Takashi Miike: Ichi der Killer  (2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

zum Asien-Schwerpunkt

Es sind nicht Menschen im eigentlichen Sinne, die Takashi Miikes Yakuza-Spektakel "Ichi, der Killer" bevölkern. Schon Ichi ist nicht mehr als eine Nummer (Ichi heißt: "eins"). Vielmehr sind die Menschen hier reduziert, zerspalten in zwei Bündel. Das eine Bündel ist der Körper, das andere eine Psyche, die ihre (durchaus vorhandenen) Komplexitäten aus einem Ambivalenzverhältnis von Masochismus und Sadismus beziehen. Beides, die Körper und die Psychen, wirkt aufeinander ein und zwar so, dass Sadismus und Masochismus ohne große Umwege in Körperbearbeitung umgeleitet werden - und die ist von der bei Miike vertrauten Art, der da kaum einmal Zurückhaltung in der Darstellung von Zerstückelung, Zerfetzung, Zerteilung, allgemeiner gesagt: Auflösung der Körper kennt. Es wird hier nicht einfach getötet wie bei Kitano. Täter wie Öpfer müssen fast ausnahmslos zuvor ihre sadomasochistische Beziehung durcharbeiten, Folter ist eine der möglichen Formen, die diese Beziehungsarbeit annehmen kann, das zeigt Miike gleich am Anfang, indem er ein Opfer an Haken (die, das versteht sich fast von selbst, direkt in die Haut gebohrt sind) aufhängen und vom vielfach gepiercten Yakuza-Unterboss Kakihara mit spitzem Gegenstand die Wange durchstoßen lässt.

Ichis Methode dagegen ist die Zerteilung, die Herstellung sauberer Schnittflächen und ordentlicher Schlitze. Jedoch erweist sich, dass der Mensch in seinem Innern amorph ist, die Sauerei, die aus der Zerteilung folgt, ist, wegen herausquellender Eingeweide, Hirnspritzer und Blutströme, ungeheuer. Die Zerschlitzungsspektakel ergeben ein ums andere Mal nichts als sinnliche Bilder dafür, dass es Miike um die Darstellung des Subhumanen geht, um Gefechte zwischen von primitivsten Triebimpulsen durchzuckten, über diese nie hinausgelangenden, zu aller Sublimierung, Kanalisierung oder Kompensierung unfähigen Kleinhirnen. Demontiert werden damit, zunächst, natürlich alle Yakuza-Mythen. Heroisches ist hier nicht übrig, das Töten und das Quälen und die Lust daran sind weder eine Sache stoischer Selbstbeherrschung und Disziplin noch auch nur funktional (kaum noch, jedenfalls). Miike nimmt eine Herausvergrößerung der Genre-Konvention gegenseitigen Tötens vor und beim Blick darauf zeigt sich nichts als die nackte Lust daran, zum einen. Ichis Fall liegt anders, mit Ichi, dem Jammerlappen, zertrümmert Miike den Heros des professionellen Killers, bis nichts mehr übrig bleibt. Denn Ichi tötet aus Rache, bezieht die Überwindung, die er für seine Metzeleien braucht, aus einer Erinnerung, die man ihm zu allem Überfluss nur per Hypnose eingepflanzt hat. Das Trauma ist das tiefste, das in Japan zur Verfügung steht: die Demütigung durch zum Quälen aufgelegte Mitschüler. Ichi tötet stellvertretend, jeder kommt in Frage. Die japanische Gesellschaft, so Miikes Diagnose, zerfällt in Täter und Opfer (Frauen sind in der kollektiven Imagination ausnahmslos Opfer). Moralisches folgt daraus so wenig wie aus irgend etwas anderem: das Opfer, das zurückschlägt, übertrumpft die Täter noch in seinen Mitteln, in seiner Grausamkeit und in seiner Infantilität.

Gewalt stellt sich bei Miike stets als unmittelbarer Zugriff auf den Körper dar: dieser wird deformiert, attackiert, zersäbelt, durchstoßen, verbrannt. Kakihara kann sich als Masochist die Lust des Zugriffs selbst zufügen (dass diese sexuell ist, wird unter all der überdeutlichen Gewalt fast noch am wenigstens explizit), benötigt aber recht eigentlich das sadistische Gegenüber, das ihm, bis zu dem Moment, in dem der Plot einsetzt, sein Boss Anjo war. (Die Frau, die er an diese Stelle setzen will, taugt dann doch nicht.) So ist Kakihara fortan auf der Suche nach dem sadistischen Gespielen, dem Überlegenen, als der sich Ichi, nach Maßgabe seiner Taten, zu erweisen scheint. Die Begegnung mit der Heulsuse Ichi muss dann enttäuschen: die von Ichi im Showdown (der keiner ist) zugefügte Verletzung ist im Tod verschwunden, Lust zieht Kakihara, ein letztes Mal, aus dem Sterben selbst, dem Fall zum Tode.

Man kann bei Miike selten umhin zu fragen: Hat der Film Spaß an der Gewalt, verleitet er den Betracher selbst zur Lust daran? Die Antwort lautet hier: eher nein. Natürlich ist die Darstellung der extremen Gewalt, der angerichteten Blutbäder mitunter komisch, aber dies vor allem in den Momenten, in denen sich aller Realismus verflüchtigt, das Comic-Moment überwiegt. Die Figuren aber, die hier töten und Gewalt ausüben, taugen gar nicht zur Identifikation, beides, das Töten wie die Gewalt, ist mit widerwärtigen Motivationen kurzgeschlossen, ist dem Betrachter, der zusehen muss, wie Zungen abgeschnitten, Körper mit grausamen Prozeduren bearbeitet werden, eine Qual (das spricht freilich gerade für, nicht gegen den Film). An der so durch und durch verrohten Bande, die Miike vorführt, gibt es nichts zu bewundern. Natürlich erteilt Miike keine Lektionen, fällt er keine moralischen Urteile, gibt dem denkbar unheroischen Schrecken Gesichter, Taten und blutstrotzende Bilder. Nicht zuletzt aber der Overkill nimmt der Darstellung viel vom Spekulativen, das hier lauert. Eher könnte man vermuten, dass der Effekt eine Katharsis wäre, allerdings nicht eine Reinigung durch starken Affekt, sondern eine heilsame Beschmutzung durch Überdruss, bis zum Ekel, an der Stumpfheit der vorgeführten Welt.

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