Jump Cut Kritik

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David O. Russell: I Heart Huckabees (USA 2004)

Eine Kritik von Ekkehard Knörer

 

"You rock, rock". Das Herz des Titels markiert ein Missverständnis, das sich in einem Plot nicht mehr aufgehoben fühlen darf. Das Ich, die Firma Huckabees und ein Geschehen, Irren, Wirren, Zueinanderfinden, Verfolgen, Im-Wege-Stehen, Konkurrieren, dann auch Lieben zwischendrin. Verbunden durch das, wofür das Herz steht, aber das bleibt diffus. Ichs auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, bedrängt von Agenten, die, behaupten sie, dabei behilflich sind. Auch die Körperkomik kommt dazwischen, Jason Schwartzmans Melancholie, Mark Wahlbergs erloschene Augen und die Waden in unerklärten Pelzwickeln, die Haube auf dem Kopf von Naomi Watts. Am christlichen Essenstisch sitzt wieder der Schwarze Mann, sagt Ma und Dad, es kommt zum Streit.

Ein fortwährendes Hineingeraten. Am Anfang, am Ende nur der blanke Fels: Setzung eines Schicksals, reine Zufälle. Es koinzidieren Geschehnisse, Begegnungen, Beziehungen. Die großen Fragen stehen im Raum und Stück für Stück werden sie zersäbelt, verlieren sich. Die Zusammenhängigkeit des Ganzen wird - außer natürlich von Dustin Hoffman und seiner Blanket-Theorie - nicht behauptet, das Wiedererkennen bleibt auf sich gestellt. Eigentlich müsste man "You rock, rock" übersetzen als "Fels, du felst", wie man "Heart" mit "Heart" übersetzt, Ich Herz Huckabees. Zwischen dem luftigsten Sinn und dem blanken Schlag mit einem rosa Ball vor die Stirn, zwischen dem nihilistischen Traktat und dem in den Schlamm getunkten Kopf liegt nichts an Bedeutung, das eine wird zum anderen übergangslos in Beziehung gesetzt. In diesem Setzen der Beziehungen durch schieres Nebeneinander liegt das nichts mehr bedeutende Herz des Films. In dem was entsteht, von nirgendwo kommend, wird  kein Sinn mehr gesetzt,  was sich abspult, ist eine einzige Kette von Implosionen.

Pointen sind das, was da entsteht, wo Unverträgliches so aufeinandertrifft, dass sich so unerwarteter wie unvermittelter Sinn bildet. Präzise Pointen verdanken sich Techniken der komischen Vermittlung des Unverträglichen. Eine ordentliche Pointe gibt im bewussten Gegeneinander des zuvor Entfernten unter plötzlicher Entbindung von Komik den neu verbundenen Dingen durchs zugespitzte Zusammentreffen ein neues Gesicht. Sie entlarvt, macht das Normale absurd, zerstört den Schein von Ernst. Diese Wirkungen machen lachen und ordentliche Pointen sind das, was der, der sie sucht, in "I Heart Huckabees" vermissen wird. Das sagt, wie gesagt, schon der Titel: Das Herz hat nichts mehr zu bedeuten, oder: es bedeutet sich selbst, es herzt, es felst und im Hintergrund hechtet Lily Tomlin durch das Fenster eines herumstehenden Autos. Alles, was hier ein rechter Scherz sein könnte, einer der etwas ad absurdum führt und einem Anschein die Maske vom Gesicht reißt, wird immerzu unterlaufen, wird auf den Weg geschickt und kommt nie an, zergeht und verpufft.

Das Absurde ist hier schon Prämisse, nicht erst Pointe. Dem Absurden sind, das liegt in der Natur dieser Weltsicht, nur noch absurde Pointen abzugewinnen, die zwar die Struktur von Pointen haben, jedoch als Entlarvung des Absurden als absurd die Entladung und Entlastung im Lachen so recht von Herzen nicht erlauben. Denn die Figuren sind und bleiben in ständiger Irre, dem Irrsinn der Welt korrespondiert nichts weiter als ihr Irren und Irresein. Der absurde Titel zeigt nicht mehr und produziert nicht mehr als seine eigene Absurdität, die Kraft des Symbolischen, etwas anderes überzeugend zu bedeuten, ist verloren, auf der Strecke geblieben. Der ganze Film spielt nur seine Titelprämisse aus und eine Reihe von Koinzidenz-Variationen durch. Das Absurde läuft dabei nie ganz aus dem Ruder. Motivverkettungen und Absurditätsverschärfungen werden wirksam als Kontingenzstopp. Alles endet er mit dem Glück der Figuren. Es wird eine Komödie gewesen sein. Sie entlässt uns, von ihren erschöpften Pointen erschöpft, ins Unscharfe.

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