Codewort "Jackson Pollock". Filmemachen als action painting. Erste
Szene, kein Vorspann, bis zum Ende nicht: Körper im Zwielicht, in Bewegung,
Tanz. Etwas ereignet sich mit Körpern im Bild, die die Kamera so in
Szene setzt, dass Klarheit nicht aufkommt. Die Bilder interessieren sich
nicht für die Körper, vielleicht nicht einmal so sehr für
die Bewegung, sondern für das Setzen der Bewegung, das In-Bewegung-Setzen
von Körpern. Das Bewegungshafte, nicht die Bewegung. Aber das Wesenhafte
der Bewegung ist für Mann das In-Szene-Setzen der Bewegung im Bild.
Kunst der Inszenierung ist Bewegung im/als Bild. Gefühl einer großen
Nähe zu Terrence Malick, in dieser Suche nach dem Wesen des Bewegungsbildes.
Während aber Malick als Vogelbeobachter zu Wagnermusik durch den
amerikanischen Schwarzwald schlurft, flitzt Mann als Drogenkurier mit dem
Speedboot nach Havanna. Und hat Gong Li an Bord; Malick importiert die Unschuld
der Neuen Welt aus dem Schweizer Kanton Powhatan.
In "Miami Vice" ist Narration reines Medium, in der die Meditation über
Bewegungshaftigkeit restlos aufgeht. Was etwas anderes ist als: in dessen
Dienst sie steht. Etwas völlig anderes. Mann verwendet die Narration
wie Denken die Sprache verwendet; für ihn ist die Erzählung das
Haus des Denkens in Bildern darum ist sein Kino ohne das Erzählen
nicht denkbar. Jedoch denkt es nicht über das Erzählen nach. (Eher
nebenbei ist "Miami Vice" dann auch ein Pamphlet gegen die
Bewegungsbildvergessenheit des amerikanischen Erzählkinos von heute.
Gegen die Bruckheimerei.
)
Aber ein lässiges Pamphlet. In dem der Jet in eleganter Bewegung um
die Wolke verschwindet. Bewegung referiert nicht; darum stellen die Darsteller
nicht dar, sind nur Vektoren von Geschehen im Bild. Erscheinen, werden
festgehalten, verschwinden, kehren wieder. Es ist, als tauchten einzelne
Bilder (die Speedboote auf dem Computerscreen) als Wiederholung aus der Zukunft
auf. Die Originale kommen nach der Wiederholung und es hat seine Richtigkeit.
Die Erzählung gibt den Bewegungen ihre Zeitreferenz, aber beliebig.
(Am Schluss fährt Gong Li davon - aber man kann sich nichts anderes
vorstellen, als dass sie zurückkehrt an irgendeinen Punkt der
Vergangenheit.) Der Narration ist der Flashback so natürlich wie der
Flashforward. Boote bewegen sich von links durchs Bild nach rechts oder von
rechts durchs Bild nach links: das macht nun wirklich keinen Unterschied.
Zeit stellt sich ein als Fiktion solcher Unterschiede. Bei Mann sind Zeiten
und Räume primär gleichrangig, hierarchisch undifferenziert; die
Ordnung, die sich ergibt, als einigermaßen beliebig, ist dem Medium
der Narration geschuldet. Mit allem Geld der Welt stellt Michael Mann so
das abstrakte
Kino der Avantgarde von den Füßen auf den
Kopf. (Oder vom Kopf auf die Füße? Anders gefragt: Ist die Narration
das natürliche Medium des bewegten Bilds? Und wie ist es mit der Referenz?
Ist die Referenz das natürliche Medium des fotografischen Bildes? Das
sind jetzt aber sehr große Fragen. Nur stellen sie sich. Man könnte
auch fragen, ob Michael Manns Kino die Abstraktionen der Avantgarde nicht
hinter sich hat. Ein post-abstraktes Erzählen und Referieren. Aber was
wird dann, was bleibt dann? Wie nimmt man es auf? Kann man es lesen? Und
wie beschreibt man auch nur eine einzelne Szene eines solchen Kinos? Aber
kann man nicht auch fragen, ob das Kino da, wo es Kino ist, in gewisser Weise
die Abstraktionen der Avantgarde immer schon hinter sich hat? Dann wäre
Michael Mann einfach Raoul Walsh mit
filmhistorischer Differenz, versteht sich:
Aber wie beschreibt man dann überhaupt das Kino, wo es Kino ist? Wir
hören jetzt auf mit solchen Fragen; lieber ein avantgardistisches
Standbild:)
Wo Malick den Anker im Mythos sucht, ist für Mann der Verweis auf die
TV-Serie, der er seinen Ruhm einst verdankte, ein lässiger Witz. Der
Film streicht unterm selben Titel die Serie aus. Er übermalt sie. Vielleicht
führt die Sache mit dem action painting auch in die Irre. Man
darf Michael Manns Bildkontrollwut nicht übersehen. Da dript nichts
einfach so; da ist alles high definition, Pixel für Pixel. Eine falsche
Fährte, geschickt gelegt. Arnulf Rainer statt Jackson Pollock?
Entscheiden Sie selbst!
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