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Michael Mann: Miami Vice (USA 2006)

Von Ekkehard Knörer

 

 

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Codewort "Jackson Pollock". Filmemachen als action painting. Erste Szene, kein Vorspann, bis zum Ende nicht: Körper im Zwielicht, in Bewegung, Tanz. Etwas ereignet sich mit Körpern im Bild, die die Kamera so in Szene setzt, dass Klarheit nicht aufkommt. Die Bilder interessieren sich nicht für die Körper, vielleicht nicht einmal so sehr für die Bewegung, sondern für das Setzen der Bewegung, das In-Bewegung-Setzen von Körpern. Das Bewegungshafte, nicht die Bewegung. Aber das Wesenhafte der Bewegung ist für Mann das In-Szene-Setzen der Bewegung im Bild. Kunst der Inszenierung ist Bewegung im/als Bild. Gefühl einer großen Nähe zu Terrence Malick, in dieser Suche nach dem Wesen des Bewegungsbildes. Während aber Malick als Vogelbeobachter zu Wagnermusik durch den amerikanischen Schwarzwald schlurft, flitzt Mann als Drogenkurier mit dem Speedboot nach Havanna. Und hat Gong Li an Bord; Malick importiert die Unschuld der Neuen Welt aus dem Schweizer Kanton Powhatan.
 

 

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In "Miami Vice" ist Narration reines Medium, in der die Meditation über Bewegungshaftigkeit restlos aufgeht. Was etwas anderes ist als: in dessen Dienst sie steht. Etwas völlig anderes. Mann verwendet die Narration wie Denken die Sprache verwendet; für ihn ist die Erzählung das Haus des Denkens in Bildern – darum ist sein Kino ohne das Erzählen nicht denkbar. Jedoch denkt es nicht über das Erzählen nach. (Eher nebenbei ist "Miami Vice" dann auch ein Pamphlet gegen die Bewegungsbildvergessenheit des amerikanischen Erzählkinos von heute. Gegen die Bruckheimerei.
 

Tokyo Drift)

Aber ein lässiges Pamphlet. In dem der Jet in eleganter Bewegung um die Wolke verschwindet. Bewegung referiert nicht; darum stellen die Darsteller nicht dar, sind nur Vektoren von Geschehen im Bild. Erscheinen, werden festgehalten, verschwinden, kehren wieder. Es ist, als tauchten einzelne Bilder (die Speedboote auf dem Computerscreen) als Wiederholung aus der Zukunft auf. Die Originale kommen nach der Wiederholung und es hat seine Richtigkeit. Die Erzählung gibt den Bewegungen ihre Zeitreferenz, aber beliebig. (Am Schluss fährt Gong Li davon - aber man kann sich nichts anderes vorstellen, als dass sie zurückkehrt an irgendeinen Punkt der Vergangenheit.) Der Narration ist der Flashback so natürlich wie der Flashforward. Boote bewegen sich von links durchs Bild nach rechts oder von rechts durchs Bild nach links: das macht nun wirklich keinen Unterschied.

Zeit stellt sich ein als Fiktion solcher Unterschiede. Bei Mann sind Zeiten und Räume primär gleichrangig, hierarchisch undifferenziert; die Ordnung, die sich ergibt, als einigermaßen beliebig, ist dem Medium der Narration geschuldet. Mit allem Geld der Welt stellt Michael Mann so das abstrakte Kino der Avantgarde von den Füßen auf den Kopf. (Oder vom Kopf auf die Füße? Anders gefragt: Ist die Narration das natürliche Medium des bewegten Bilds? Und wie ist es mit der Referenz? Ist die Referenz das natürliche Medium des fotografischen Bildes? Das sind jetzt aber sehr große Fragen. Nur stellen sie sich. Man könnte auch fragen, ob Michael Manns Kino die Abstraktionen der Avantgarde nicht hinter sich hat. Ein post-abstraktes Erzählen und Referieren. Aber was wird dann, was bleibt dann? Wie nimmt man es auf? Kann man es lesen? Und wie beschreibt man auch nur eine einzelne Szene eines solchen Kinos? Aber kann man nicht auch fragen, ob das Kino da, wo es Kino ist, in gewisser Weise die Abstraktionen der Avantgarde immer schon hinter sich hat? Dann wäre Michael Mann einfach Raoul Walsh – mit filmhistorischer Differenz, versteht sich:
 

Walsh

 

Aber wie beschreibt man dann überhaupt das Kino, wo es Kino ist? Wir hören jetzt auf mit solchen Fragen; lieber ein avantgardistisches Standbild:)
 

Brakhage

 

Wo Malick den Anker im Mythos sucht, ist für Mann der Verweis auf die TV-Serie, der er seinen Ruhm einst verdankte, ein lässiger Witz. Der Film streicht unterm selben Titel die Serie aus. Er übermalt sie. Vielleicht führt die Sache mit dem action painting auch in die Irre. Man darf Michael Manns Bildkontrollwut nicht übersehen. Da dript nichts einfach so; da ist alles high definition, Pixel für Pixel. Eine falsche Fährte, geschickt gelegt. Arnulf Rainer statt Jackson Pollock?

 

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