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Robert Thalheim: Netto (Deutschland 2005)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Robert Thalheim, der sein Studium an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen noch nicht beendet hat, hat für seinen Film „Netto“, der noch nicht einmal sein Abschlussfilm ist, bereits viel Lob erhalten. Ab Mai wird er gar in deutschen Kinos zu sehen sein, der Regisseur wird landauf, landab als großes Talent gepriesen.

Man sollte die Kirche im Prenzlauer Berg lassen. Hier ist kein großer Meister vom Himmel gefallen. Die Begeisterung sagt mehr über die Konjunkturen bestimmter Themen und Herangehensweisen an die Darstellung gesellschaftlicher Wirklichkeiten als über den Film. Erzählt wird in „Netto“ die Geschichte eines Ostdeutschen, der den Fall der Mauer als Beglückung erfahren hat. Die Frau, die er liebte, hat ihm einen Sohn geboren, die Zukunft war rosig. Dann ging es bergab und zwar ganz furchtbar. Der Film erzählt in der Gegenwart, wie sein Sohn nach zwei Jahren der Abwesenheit zu ihm zurückkehrt. Die Ehe ist zerbrochen, die Frau ist schwanger, von einem Wessi. Der Sohn flieht, vom neuen Einfamilienhaus in die Bruchbude im Prenzlauer Berg in Berlin, in der sein Vater haust. Der ist eine so traurige wie unglücklicherweise auch unerträgliche Gestalt, sehr ähnlich übrigens bis in manche Details dem Gunnar aus der „Dritten Heimat“. Große Klappe, Selbstmitleid, ständiges Genörgel über die Ungerechtigkeit der Welt und nichts dahinter. Der Sohn hält es kaum aus, hilft ihm bei einer Bewerbung, aus der nichts wird, haut ab, kehrt zurück, verleugnet ihn.

Es gibt peinliche Szenen, es gibt lustige Szenen, wie überhaupt das Buch bemüht ist, den kitchensink-Realismus immer wieder aufs Komödiantische hin abzufedern. Eine Liebesgeschichte des Sohnes kommt hinzu, Star Wars, der Mauerpark und vor allem Peter Tschernig, der Johnny Cash der DDR, geben Lokal- und Generationenkolorit. (Ich habe, nebenbei gesagt, nicht gewusst, dass es Peter Tschernig gab, in dessen Gestalt die DDR das Grauen, das den Namen Truck Stop trägt, überholte, ohne es einzuholen. Trotzdem ist es sehr schön, wie der Film mit Tschernig umgeht und darauf verzichtet, ihn zu denunzieren.) Vieles bleibt ungelenk, wie von einem solchen Erstling nicht anders zu erwarten. Wirklich schön, fast schon großartig sind zwei Szenen, in denen die Kamera dem Helden folgt, wie er durch Berlin radelt, in der Nacht. Man hört die Geräusche des Dahingleitens durch die Dunkelheit, fast möchte man sagen: die Geräusche der Dunkelheit. Rabiat geht es dann immer wieder ins Klischee zurück. Aber es gilt auch: Falsche Versöhnungen finden nicht statt. Kein unsympathischer Film.

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