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Hany Abu-Assad: Paradise Now (Palästina 2005)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Was soll man noch sagen? Soll man es noch einmal sagen? Dass ein Film, der seinen Figuren politische Thesen in den Mund legt und um die Münder herum Darsteller castet und um die Darsteller herum Bilder baut, indem er Kameras in Palästina aufstellt und hinter seinen Darstellern mit den Mündern, aus denen politische Thesen sprechen, mit der Kamera herläuft durch die Straßen der West Bank, dass ein solcher Film das Gegenteil eines politischen Films ist? Dass er, schlimmer noch, auch das Gegenteil von Kino ist und man seinen Machern raten würde, doch einen Zeitungsartikel zu schreiben, wenn, ja wenn sie überhaupt irgend etwas Interessantes mitzuteilen hätten.

Soll man es noch einmal sagen und immer wieder sagen und irgendwann einfach nichts mehr sagen, den Wettbewerb abhaken und hoffen, dass die Ära Kosslick möglichst bald vorüber geht, damit man Filme wie „Paradise Now“ nicht mehr im Mittelpunkt eines der großen Festivals der Welt ertragen muss? Was soll man sagen? Soll man es noch einmal sagen: Dass das Gegenteil von gut noch stets gut gemeint war und das Gegenteil von Kunst das sozialdemokratische Verständnis davon?

Also, fürs Protokoll. Erzählt wird die Geschichte zweier palästinensischer Selbstmordattentäter, Khaled und Said, der Film zeigt sie am letzten Tag vor dem geplanten Anschlag und am Tag des Anschlags selbst. Ein kurzes Video wird gedreht, in dem sie zum Abschied ihre revolutionären Sprüche aufsagen. Später wird sich die Frau, aus deren Mund der Pazifismus hängt wie in einem mittelalterlichen Gemälde die Erläuterungen auf weißen Bändern aus den Mündern der Figuren hängen, darüber empören, dass man diese Videos in palästinensischen Läden kaufen kann. Der Anschlag wird scheitern, einer der beiden, Said, wird durch die Straßen irren auf der Suche nach der Botschaft des Ganzen, die der Film am Ende salomonisch entzwei teilen wird.

Es wäre schon falsch zu sagen, „Paradise Now“ sei ein schlechter Film. Eigentlich ist er, wie gesagt, gar kein Film, sondern der hilflose Versuch, die verteufelte Lage im Nahen Osten irgendwie in Szene zu setzen. Die politische wie die ästhetische Naivität, mit der das geschieht, ist so offenkundig, dass es schon übertriebener Aufwand wäre, sich dem Ganzen ideologiekritisch zu nähern. Wie wenig man komplexen politischen Situationen durch Personalisierung gerecht werden kann, wie peinlich es ist, solche Vereinfachungen durch die obligatorische Liebesgeschichte auch noch in den Kitsch zu treiben, wie albern es ist, aus dem Nichts mal so eben, ohne irgendeinen Grund, eine Abendmahlszene zu inszenieren, muss man das noch sagen? Noch einmal, immer wieder? Ach.

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