Jump Cut Kritik

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Australien kann sehr kalt sein

Cate Shortland: Somersault (Australien 2004)

Kritik von Ulrike Mattern

Geschichten über Teenager, mit Mädchenrollen, die zur Identifikation taugen, bevölkern die Filme australischer und neuseeländischer Regisseurinnen seit Ende der 70er Jahre. Die renommierte Filmmacherin Jane Campion ("Das Piano", "In the Cut") z.B. "eröffnet eine Ahnengalerie des Weiblichen", "erzählt vom Mädchensein und vom Frauwerden", von all den "Katastrophen, ohne die man nicht groß wird", stellt die Filmjournalistin Christiane Peitz in ihrem Buch über "Marilyns starke Schwestern"fest.

Regisseurin Cate Shortland betritt in ihrem Spielfilmdebüt "Somersault" (Purzelbaum) ähnliches Terrain, erweitert die "Ahnengalerie" um eine frühreife Alice im Wunderland. Ihre zwischen Naivität und gezielt platzierter Erotik pendelnde Protagonistin, die 16-jährige Heidi, lebt mit ihrer Mutter in einer Kleinstadt. Der Alltag ist ereignislos. Eines Morgens liegt Heidi mit dem Freund der Mutter im Bett und wird von ihr überrascht. Sie läuft von zu Hause weg, fährt allein nach Jindabyne. Außerhalb der Saison verirren sich selten Touristen in das Skigebiet. Heidi findet einen Job, eine Bleibe im Motel und lernt Joe kennen.

Die 22-jährige Hauptdarstellerin Abbie Cornish spielt diese Rolle mit einer körperlichen Präsenz, die ihr den Vergleich mit einer anderen australischen Schauspielerin einbrachte: Nicole Kidman. Sie erinnert aber eher an die kesse Jodie Foster in "Taxi Driver" oder an die frühreife Alicia Fulford-Wierzbicki im neuseeländischen Drama "Rain", das vor zwei Jahren im Kino lief. Wie letztere imitiert Heidi Gestik und Sprache erwachsener Frauen, übt vorm Spiegel den Luder-Look, probiert mal spielerisch, mal berechnend ihre Reize bei Männern aus, ohne an Gefahren zu denken.

Sieben Jahre habe sie am Drehbuch gearbeitet, berichtet Cate Shortland. Das präzise ausbalancierte Skript wird in einer wohl durchdachten Ästhetik umgesetzt. Die Kamera schafft klischeefreie Aufnahmen von Australien: Himmel und Erde präsentieren sich weder wolkenlos blau noch staubtrocken. Stattdessen legt sich Blaugrau wie eine Frostschicht über die Landschaft. Einzige Farbtupfer sind die roten Handschuhe, die Heidi beim Herumstreunen trägt, und der pink- oder rotfarbene Filter, der sich vor die Kameralinse schiebt, wenn das Mädchen durch eine getönte Skibrille oder Joe durch ein Weinglas schaut.

Erwachsen zu werden kann trostlos sein. Selten erzählt ein Film so aufrichtig über einen manchmal katastrophal orientierungslosen Lebensabschnitt wie "Somersault".

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