Jump Cut Theaterfilme
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Magazin für Film & Kritik

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Theaterfilme 2: The Actress / Theaterfieber
(Regie: George Cukor, USA 1953)
 
Von Stefanie Diekmann
 
 
Am Ende, wenn die Heldin (Jean Simmons) sich in Begleitung ihrer Eltern (Teresa Wright, Spencer Tracy) auf den Weg zum Bahnhof macht, verharrt die Kamera hinter einem Fenster des Wohnhauses. Diese Einstellung: eine Figur gehen zu sehen, Richtung Horizont und irgendwann außer Sichtweite, gehört zu den Grundmustern filmischer mise-en-scène - in Cukors "The Actress" markiert sie außerdem jenen Moment, in dem sich der Film am deutlichsten als Film (i.e. nicht anders als ...) zu erkennen gibt.

Aus den Augen, in ein anderes Leben und in eine andere Geschichte ohnehin. Tatsächlich ließe sich über "The Actress" sagen, daß die andere Geschichte hier zugleich die eigentliche scheint, das heißt: die, die man erwartet hätte, wenn ein Film in Aussicht stellt, aus dem Leben einer Schauspielerin zu berichten. In bestimmtem Sinne tut er das auch, aber selbst wenn er dort einsetzt, wo viele Filme über ein Leben für das Theater früher oder später ankommen - mit dem ersten Theaterbesuch und dem Blick von der Galerie auf die Bühne -, nimmt er doch nicht denselben Weg wie jene, und auch sein Ausgang ist anders, als der Beginn vermuten ließ.

In diesem Theaterfilm (es ist einer; ohne Zweifel) bleibt der Übertritt in die Welt jenseits des Zuschauerraumes über das letzte Bild hinaus suspendiert. Was auf die erste Szene folgen könnte - das Vorsprechen, die Talentprobe, die Auftritte, die Triumphe etc. -, findet nicht statt, und wenn, dann höchstens in der Phantasie der Hauptfigur, die viel vorhat und kaum etwas zustande bringt, sieht man von zwei Besuchen hinter die Bühne ab. Der erste führt sie in die Garderobe einer bewunderten Schauspielerin, der zweite in das Büro eines bekannten Regisseurs, aber ebenso, wie keiner der beiden Bühnenkünstler sie dorthin expediert, wo sie sich mehr als alles andere zu sein wünscht, werden diese Exkursionen zum Anlaß genommen, die Sphäre hinter den Kulissen endlich genauer zu erkunden.

Was immer sich zwischen dem Theaterbesuch des ersten Bildes und dem Aufbruch im letzten ereignet: Der Film hält sich außerhalb, er überquert die Schwelle, die Innen und Außen des Theaters trennt, nicht. Daß es dabei bleiben wird, macht er im Prinzip mit jeder Minute deutlicher - bis zu jener gleichzeitig kruden und bemerkenswerten Szene, in der die Noch-Nicht-Elevin mit großer Geste durch eine Bühnentür verschwindet, die sich gleich darauf vor ihrem Verehrer (Anthony Perkins) und den Filmzuschauern schließt. No trespassing: Im Gegensatz zu Welles' "Citizen Kane" ist das Zugangsverbot diesmal ein ungeschriebenes, das jedoch um so ausdrücklicher respektiert wird, und so entfaltet Cukor statt der Erfolgs- eben eine Vorgeschichte, in der das Theater als Sehnsuchtsort und Projektionsfläche figuriert.

Welche Phantasien sich dabei mit der Theaterwelt verbinden, läßt sich unter anderem aus einer zweiten Aufführung rekonstruieren, die nicht im Theater angesiedelt ist, sondern, ganz im Gegenteil, eine Art Kontrastprogramm vorstellt. Irgendwann, etwa in der Mitte des Films, besucht die Heldin in Begleitung ihrer Mutter die Darbietungen eines Gymnastikvereins, dem - schlimm genug - ihr eigener Vater angehört, der - schlimmer noch - die Tochter zur Lehrerin für Leibeserziehung ausbilden lassen möchte. Leibeserziehung, das ganze Schauspiel des schwitzenden, strampelnden, arbeitenden Körpers, der ungraziösen Bewegungen und häßlichen Kostüme, wird hier zum großen Gegenbild des Sublimen: ein Entwurf ex negativo, der ihre Fluchtbewegung um so plausibler macht, je unmittelbarer sich die Bedrohung durch die Welt der Gummibänder und rutschenden Sporthosen darstellt.

Sie wird es schaffen. Der Film läßt daran keinen Zweifel, zumal sein Drehbruch nichts anderes ist als die Adaption eines autobiographischen Bühnenstücks der berühmten Theaterschauspielerin Ruth Gordon. Sie wird es hinkriegen, im zweiten Anlauf, im dritten oder im vierten, weshalb die Geschichte des späteren Erfolges den Szenen der Schwärmerei und naiven Sensüchte immer schon inkludiert ist - antizipiert, auch wo sie sich (noch) nicht entwickeln darf und die große Bühnenkarriere nichts anderes ist als die diffuse Phantasie einer sehr jungen Protagonistin. Seine Faszination indes bezieht "The Actress" nicht im geringsten aus dem Moment der Vorausschau, sondern aus dem höchst eigensinnigen Entschluß, auf einer Grenze zu beharren, die viele andere Theaterfilme wie selbstverständlich überqueren, Präliminarie zu sein, wo die Konvention eines Genres verlangt, auf beiden Seiten der Kulissen zu spielen.
 

 

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