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Zivilprozess
USA 1998
Regie: Steve Zaillian
Mit John Travolta, Robert Duvall, John Lithgow |
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KRITIK
Der Gerichtsfilm ist das Metagenre des Kinos
schlechthin, ein Ort der Inszenierung von Inszenierung, an dem Darstellung
von Beginn an verdoppelt ist. Das Erzählen, wie es im Hollywood- Kino
(in Fortsetzung der lange abgetanen Theaterbühne als moralischer Anstalt)
funktioniert, ist im Gerichtssaal konfrontiert mit den Mitteln
herkömmlicher Gemütserregung. Die Jury, stumm und an den Rand
gedrängt, vertritt (oder repräsentiert) den Zuschauer und Ethos
und Pathos der rhetorischen Tradition feiern ihre transparent gewordene (und
eben auch formelhafte, in Lehr- büchern verbreitete) Wiederkehr als
Rührung des Betrachters und Identifikation mit einem
Helden.
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Die meisten Gerichtsfilme bleiben unter
ihrem so bezeichneten Niveau, von den albernen Grisham- Verfolgungsjagden
ganz zu schweigen. Der Gerichtsfilm ist als Genre komplex und löst die
moralische Behandlung ethischer Fragen, wie sie der Western regressiv zelebriert,
durch die rechtliche Auseinandersetzung ab. Vieles kann dabei ins Genre
eingespeist werden (wie eben auch ins Rechtssystem), gesellschaftliche Themen
aller Art, auch Fragen nach der Zulänglichkeit des Rechtssystems - und
dies alles mit dem immer lauernden Potential der medialen (rhetorischen)
Selbstreflexion. Während die Mehrzahl der Western daran scheitert, daß
sie das Niveau des Genres nicht zu überbieten vermag, liegt das Versagen
vieler Gerichtsfilme darin, daß sie den Komplexitätsgrad des Genres
gar nicht erreichen.
Dieser Vorwurf läßt sich Steve Zaillians
Regiedebüt 'Zivilprozeß' nicht machen. Der Film nutzt die Topoi
und Möglichkeiten seines Genres auf eine erstaunlich gründliche,
ja gewissenhafte Weise. Von besonderem Interesse ist ihm das Verhältnis
von Gerechtigkeit und Abgeltung durch Geld als Schadensersatz. Freilich steht
die Absurdität der Bilanz von Beginn an fest, da auf der Opfer/
Schadensseite Tote zu beklagen sind, durch fahrlässig vergiftetes
Trinkwasser. Geradezu obsessiv werden immer wieder, und immer wieder anders,
Rechnungen aufgemacht, oder genauer: was als Suche nach Gerechtigkeit, dann
als Suche nach Recht, beginnt, transformiert sich unaufhaltsam in Geldfragen.
Die immensen und unfaßbaren Schadensersatzsummen, die in us-amerikanischen
Zivilprozessen oft aufgebracht werden, die von der Klägerseite hier
auch eingefordert werden, lassen sich so als Überwindung schnöden
Bilanzierens durch Annäherung ans Unvorstellbare lesen, und zwar mit
Hilfe dieses Films, der den Vergleich als Niederlage der Gerechtigkeit beschreibt
und diese These bis zum bitteren Ende eines credo quia absurdum
durchexerziert.
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Der Film inszeniert sich, seine Geschichte und
seine Figuren (schon an der Namensgebung erkennbar: Jan Schlichtman als Name
des Helden, an dem folglich nichts Strahlendes ist) als Allegorie, als morality
play, das auf Psychologisierung ebenso verzichtet wie die Ausstattung seiner
Protagonisten mit irgendwelchen privaten Geschichten, die nichts zur Sache
tun. Die Figuren enden haarscharf am Rande der Geschichte, die erzählt
wird, und das ist wohltuend, klug und effizient. Ebenso effizient und listig
undurchschaubar ist der leitmotivische Einsatz des Wassers als leeren Zentrums
des Films wie des Prozesses. Über dieses inszenatorische Pokerface hinaus
beeindruckt die ironische Leichtigkeit, aber auch die unerbittliche, wenngleich
humorvolle, Konsequenz, mit der die Fabel von Aufstieg und Fall des kleinen,
möchtegerngroßen Helden, an dem sich John Travolta als großer
Schauspieler bewährt, erzählt ist. Eine Reihe weiterer
großartiger Darsteller, allen voran Robert Duvall als nicht unsympathischer
Zyniker, machen den Film zu einem in seiner Gründlichkeit manchmal
vielleicht etwas betulichen, aber letztlich kaum beeinträchtigten
Vergnügen.
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