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Nach Hollywood: Zu den Fotografien Gregory Crewdsons

Zur Ausstellung 1985-2005 in Winterthur

Von Ekkehard Knörer 

 

Link: Google findet jede Menge Crewdson-Bilder im Netz

 

Das bisherige Werk Gregory Crewdsons bewegt sich zwischen, sagen wir, William Eggleston und Jeff Wall, aber spannungslos. Crewdson ist Epigone, der seine Epigonalität durch Draufschichten und Dazutun, auch durch inszenatorischen Größenwahn verdecken will oder verschleiern. Die Schleier aber sind transparent und drängen sich, im Bild, auf als fortwährende Explikation des bei den Vorbildern Impliziten.

Das ergibt Paradoxien, interessant sind sie nicht. So sind die Geheimnisse der Bilder von Crewdson leer, die Rätsel sind schon gelöst und das Unheimliche liegt offen zutage. Hinter der Schärfe der Gegenstände liegt keine Schärfe des Blicks, noch die Ortlosigkeit als Implikat dieser totalen Vordergründigkeit führt zu nichts. Die Schönheit der Kompositionen und Farben rauscht betäubend hinein ins Auge des Betrachters und löst keinen Gedanken aus.

Je leerer die Bilder und je unaufwendiger die Inszenierung, desto überzeugender. Also "Hover", schwarz-weiß, aus den Jahren 1996 und 1997. Menschen in Vorstädten, die von Rasen zu Rasen Rasen verlegen, Blumen pflanzen auf der Straße und in Kreisen den Rasenmäher über die Wiese führen. Die Absurdität dieser Arrangements ist von einer Sanftheit, die sich im Hochglanz der monumentaleren Serien verliert. Die Fotografien von "Hover" sind hübsch, die neuen nur schön, und es besteht im Vergleich kein Zweifel, dass hübsch bei Credwson viel besser ist als schön. Schon das spricht nicht für ihn.

Im Einsatz der Hollywoodstars von "Dream House" liegt eine Logik. Man wundert sich nicht, dass sie da auftauchen. Gwyneth Paltrow in Unterwäsche im Wohnzimmer, William H. Macy. leicht verzweifelt zwischen ausgegrabenen Rasenflecken, auch im Wohnzimmer. Tilda Swinton und Julianne Moore, Ikonen des Arthouse-Kinos und solche, die es werden wollen. Man kann bei Crewdson credibility anschaffen gehen. Als sähe man dieser Kunst nicht an, dass sie vor allem deshalb existiert: als credibility-Produktionsbetrieb. Darum auch der riesige Aufwand. Es geht darum, von Hollywood als seinesgleichen erkennbar zu sein, mit dem surplus der Aura der Kunst, der sich vor allem der Unterstellung verdankt, es gebe ihn. In gewisser Weise ist da dann: sonst nichts. In der Kunst, die Hollywood imitiert, finden die Stars, was Hollywood ihnen nicht geben kann. Und Crewdson fügt dem surplus der Unterstellung teure Hochglanzoberflächen hinzu, die sich für Tiefenvermutungen beim Lieblingsregisseur der Kunst-und-Kino-Künstler bedienen: David Lynch und dem Klischee, zu dem seine suburbia-Motive längst geronnen sind. Das ist ein geschlossener Kreislauf.

Nichts als geronnene Klischees - ohne Darstellung der Gerinnungsprozesse - bei Crewdson: die Zombies auf Gleisen, die offenen Türen der Wagen auf leeren Straßen bei Nacht, die Inszenierung des numinosen Lichts in der Szene als Set. Alles ist hier nicht mehr als es selbst und da alles, was man sieht, selbst nichts ist, bedeutet es nicht mehr und nicht weniger als sein Bedeuten. Alles Zeichen aus zweiter Hand: die Verlorenheit mit Tabletten im trostlosen Zimmer, die Entfremdung zwischen Mann und Frau, das Treiben Ophelias im schwarzen Wasser im Wohnzimmer. Crewdsons Prinzip - jenseits von "Hover" - ist die Ersetzung der Andeutung durch die leere Bedeutung. Die Andeutung sagt (leise), dass sie etwas verschweigt. Die leere Bedeutung zeigt (lautstark) ihr Verschweigen und weiter nichts und tut aber so, als wäre da mehr.

Darum verlieren sich die Geheimnisse und Rätsel bei Crewdson in einem Nichts an Geheimnis und Nichts an Rätsel. Den Schein des Narrativen hat Crewdson sich bei Jeff Wall abgeschaut. Während aber bei Wall aus dem unauflösbaren Ineinander von Momentarität der Fotografie und Sequenzialität der Narration eine Art unmögliches Medium mit unmöglichen Zeitbedingungen entsteht, gibt es bei hier nur die Stillstellung einer Narration zur inszenierten Szene, die sich selbst genügt.

Von der Absurdität ihrer Ästhetik zeigen die Fotografien Crewdsons kein Bewusstsein. Anders gesagt: Es gibt hier nur das Selbstbewusstsein des Fotografen, der sich an die Stelle eines Regisseurs von fotografischen Bildern verrückt und der Fotografie die zweifelhafte Ehre eines riesigen Inszenierungsapparats verschafft hat, mit dessen Hilfe nun Standbilder entstehen, in denen nichts als die stillgestellte Anmutung zum Klischee gewordener Hollywood-Rätselbilder zum Vorschein kommt - und in diesem Vorschein verharrt. Der Vorschein ist freilich, dank Kohle und Stab, bestens ausgeleuchtet und in diesem Vorschein rückt, dank digitaler Nachbearbeitung, der letzte Grashalm überscharf ins Bild. Was er da so scharf soll, muss allerdings im Dunkeln bleiben, als leeres Geheimnis dieser Hochglanzkunst.

vgl. auch die Überlegungen zu Jeff Wall: Fotografischer Schwindel: Anmerkungen zu den fotografischen Bildern von Jeff Wall

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