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jede
Menge Crewdson-Bilder im Netz
Das bisherige Werk Gregory Crewdsons bewegt sich zwischen, sagen wir, William
Eggleston und Jeff Wall, aber spannungslos. Crewdson ist Epigone, der seine
Epigonalität durch Draufschichten und Dazutun, auch durch inszenatorischen
Größenwahn verdecken will oder verschleiern. Die Schleier aber
sind transparent und drängen sich, im Bild, auf als fortwährende
Explikation des bei den Vorbildern Impliziten.
Das ergibt Paradoxien, interessant sind sie nicht. So sind die Geheimnisse
der Bilder von Crewdson leer, die Rätsel sind schon gelöst und
das Unheimliche liegt offen zutage. Hinter der Schärfe der Gegenstände
liegt keine Schärfe des Blicks, noch die Ortlosigkeit als Implikat dieser
totalen Vordergründigkeit führt zu nichts. Die Schönheit der
Kompositionen und Farben rauscht betäubend hinein ins Auge des Betrachters
und löst keinen Gedanken aus.
Je leerer die Bilder und je unaufwendiger die Inszenierung, desto
überzeugender. Also "Hover", schwarz-weiß, aus den Jahren 1996
und 1997. Menschen in Vorstädten, die von Rasen zu Rasen Rasen verlegen,
Blumen pflanzen auf der Straße und in Kreisen den Rasenmäher
über die Wiese führen. Die Absurdität dieser Arrangements
ist von einer Sanftheit, die sich im Hochglanz der monumentaleren Serien
verliert. Die Fotografien von "Hover" sind hübsch, die neuen nur
schön, und es besteht im Vergleich kein Zweifel, dass hübsch bei
Credwson viel besser ist als schön. Schon das spricht nicht für
ihn.
Im Einsatz der Hollywoodstars von "Dream House" liegt eine Logik. Man wundert
sich nicht, dass sie da auftauchen. Gwyneth Paltrow in Unterwäsche im
Wohnzimmer, William H. Macy. leicht verzweifelt zwischen ausgegrabenen
Rasenflecken, auch im Wohnzimmer. Tilda Swinton und Julianne Moore, Ikonen
des Arthouse-Kinos und solche, die es werden wollen. Man kann bei Crewdson
credibility anschaffen gehen. Als sähe man dieser Kunst nicht
an, dass sie vor allem deshalb existiert: als
credibility-Produktionsbetrieb. Darum auch der riesige Aufwand. Es
geht darum, von Hollywood als seinesgleichen erkennbar zu sein, mit dem
surplus der Aura der Kunst, der sich vor allem der Unterstellung verdankt,
es gebe ihn. In gewisser Weise ist da dann: sonst nichts. In der Kunst, die
Hollywood imitiert, finden die Stars, was Hollywood ihnen nicht geben kann.
Und Crewdson fügt dem surplus der Unterstellung teure
Hochglanzoberflächen hinzu, die sich für Tiefenvermutungen beim
Lieblingsregisseur der Kunst-und-Kino-Künstler bedienen: David Lynch
und dem Klischee, zu dem seine suburbia-Motive längst geronnen
sind. Das ist ein geschlossener Kreislauf.
Nichts als geronnene Klischees - ohne Darstellung der Gerinnungsprozesse
- bei Crewdson: die Zombies auf Gleisen, die offenen Türen der Wagen
auf leeren Straßen bei Nacht, die Inszenierung des numinosen Lichts
in der Szene als Set. Alles ist hier nicht mehr als es selbst und da alles,
was man sieht, selbst nichts ist, bedeutet es nicht mehr und nicht weniger
als sein Bedeuten. Alles Zeichen aus zweiter Hand: die Verlorenheit mit Tabletten
im trostlosen Zimmer, die Entfremdung zwischen Mann und Frau, das Treiben
Ophelias im schwarzen Wasser im Wohnzimmer. Crewdsons Prinzip - jenseits
von "Hover" - ist die Ersetzung der Andeutung durch die leere Bedeutung.
Die Andeutung sagt (leise), dass sie etwas verschweigt. Die leere Bedeutung
zeigt (lautstark) ihr Verschweigen und weiter nichts und tut aber so, als
wäre da mehr.
Darum verlieren sich die Geheimnisse und Rätsel bei Crewdson in einem
Nichts an Geheimnis und Nichts an Rätsel. Den Schein des Narrativen
hat Crewdson sich bei Jeff Wall abgeschaut. Während aber bei Wall aus
dem unauflösbaren Ineinander von Momentarität der Fotografie und
Sequenzialität der Narration eine Art unmögliches Medium mit
unmöglichen Zeitbedingungen entsteht, gibt es bei hier nur die Stillstellung
einer Narration zur inszenierten Szene, die sich selbst genügt.
Von der Absurdität ihrer Ästhetik zeigen die Fotografien Crewdsons
kein Bewusstsein. Anders gesagt: Es gibt hier nur das Selbstbewusstsein des
Fotografen, der sich an die Stelle eines Regisseurs von fotografischen Bildern
verrückt und der Fotografie die zweifelhafte Ehre eines riesigen
Inszenierungsapparats verschafft hat, mit dessen Hilfe nun Standbilder entstehen,
in denen nichts als die stillgestellte Anmutung zum Klischee gewordener
Hollywood-Rätselbilder zum Vorschein kommt - und in diesem Vorschein
verharrt. Der Vorschein ist freilich, dank Kohle und Stab, bestens ausgeleuchtet
und in diesem Vorschein rückt, dank digitaler Nachbearbeitung, der letzte
Grashalm überscharf ins Bild. Was er da so scharf soll, muss allerdings
im Dunkeln bleiben, als leeres Geheimnis dieser Hochglanzkunst.
vgl. auch die Überlegungen zu Jeff Wall:
Fotografischer Schwindel: Anmerkungen zu den
fotografischen Bildern von Jeff Wall
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