Fernsehkritik: Margarethe von Trotta: Jahrestage

INFO
Startseite
zur Startseite


Fernsehkritik

Margarethe von Trotta: Jahrestage

Jahrestage

________________________________________________________________

Zu den ärgerlichsten Erscheinungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gehörten in den letzten Jahren gerade nicht die Versuche, den Privaten bei der Senkung des Anspruchsniveaus quotengeil nachzueifern. Das ist natürlich schlimm genug (noch dazu, ohne dass man den Mut zu sowas wie Big Brother hat oder die Perfektion, die Jauchs Millionärssendung bei RTL auszeichnet), aber schlimmer noch sind die mit viel Geld und Zeitaufwand in periodischen Abständen auf die Leinwand gestemmten Prestigobjekte. Nach „Der Laden" und „Klemperer" vollendet sich diese Reihe gerade mit der Verfilmung von Uwe Johnsons „Jahrestagen" zu einer Trilogie des Grauens, das aus der Ignoranz eines völlig abgeschmackten Begriffs von Kultur kommt.

Vermutlich ist es die nackte Angst davor, etwas falsch zu machen, die den festangestellten Redakteuren im Nacken sitzt und dazu führt, dass man sich und die beauftragten Regisseure freiwillig auf ein ästhetisches Minimalprogramm reduziert, das stets aufs Neue die bekannte Tatsache illustriert, dass getretener Quark immer nur breit wird, aber keine Kunst, dass man auf den Moment, an dem Quantität in Qualität umschlägt, lange warten kann. Nichts als die Panik vor einem möglicherweise noch nicht ganz absehbaren Gedanken ist es wohl auch, die die Fixierung auf anerkannte Werke der Hochkultur verursacht, solche am liebsten, die als unverfilmbar gelten - und die mit einer Ästhetik, die das Kino schon seit dem vorletzten Jahrhundert hinter sich gelassen hat, auch wirklich nicht zu verfilmen sind. Wie sich dann ein um das andere Mal eindrucksvoll erweist.

Nun war Strittmatters „Der Laden" ja vielleicht keine große Literatur, Klemperers Tagebücher ohnehin nicht, so dass die Bräsigkeit der Verfilmung des ersteren, der Schulfunkcharakter der Verfilmung des letzteren bei gutem Willen mit dem Verweis auf die Vorlagen noch irgendwie zu entschuldigen gewesen wären. Bei den „Jahrestagen" ist das nun anders. Das Scheitern von Drehbuch und Regie wird hier als totales schmerzlich sichtbar. Der Glaube, dass man Figuren und Plot des Romans - des arg unhandlichen Umfangs wegen - ein wenig reduzieren muss, dann die richtigen Schauspieler castet und nett illustrierende Bilder findet, ist hier Film geworden. Jede Reflexion auf das ästhetische Verhältnis von Literatur und Film hat man vorsichtshalber unterlassen und so aus einem komplexen Roman einen platt und realistisch erzählten Spielfilm gemacht, nett mit auch dem einfacher strukturierten Zuschauer zugänglichen Rückblenden, didaktisch aufbereiteten Dialogen zwischen Mutter und Tochter (letztere übrigens leider eine erbärmliche Schauspielerin) und der Wahl Matthias Habichs als Darsteller, weil man den ja schließlich noch von Klemperer her kennt. Die Charaktere und ihre Eigenschaften hat man hübsch aufs Überschaubare runtergekürzt, schließlich geht es ja um das bekanntlich dunkelste Kapitel unserer Geschichte und da dürfen keinesfalls irgendwelche Ambivalenzen aufkommen.

Gefilmt ist das mit der inszenatorischen Lahmarschigkeit, für die Margarethe von Trotta bekannt ist. Immer schön statisch, immer schön auf Distanz bleiben. Die Kamera entwickelt keine Sekunde ein Verhältnis zu den Bildern, die sie produziert, es gibt nicht einmal den Versuch der Dynamisierung oder Kommentierung, der Irritation oder der Unklarheit. Alles bestens ausgeleuchtet, alles brav buchstabiert. Emotionale Unterstützung sucht man allein bei der ins Bombastische tendierenden Musik, aber die passt dann wiederum so wenig zu den Bildern, dass sie selbst lächerlich wird. Gerne würde man wenigstens die Darsteller loben, die sich redliche Mühe geben, die Pappkameraden, als die sie konzipiert sind, ins Menschliche hinüberzuretten - allein, es hilft nichts. Sie retten dieses Machwerk nicht. Bleibt einem nur zu hoffen, dass die ARD die wohlverdienten katastrophal schlechten Quoten einfährt und irgendwann den Mut der Verzweiflung fasst. Schlechter werden kann's schon mal nicht.

Schnellsuche

Suchbegriff

Suche und Bestellung von Büchern, Videos, DVDs, CDs. Partner von Jump Cut.
Suchbegriff (Titel, Regisseur, Autor etc.) ins Formularfeld eingeben. 


Startseite
zur Startseite


TV-Kritik: Margarethe von Trotta: Jahrestage

Das Copyright des Textes liegt beim Autor. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit seiner Zustimmung.

Die Bildrechte verbleiben bei ihren Eigentümern. Die Bilder dienen hier nur der Illustration.

Für Kommentare etc.: Mail