LOLA RENNT

                                                                                    (**)

                                                        (R. und B.: Tom Tykwer. Deutschland 1998)


Endlich wieder ein deutscher Film, den man feiern kann. Dafür, daß er keine
Beziehungskomödie ist. Dafür, daß er originell ist. Dafür, daß er unwidersteh-
lich dynamisch ist. Dafür, daß er großartige Schauspieler hat.

Leider ist nichts davon wahr. Die in blutrot getauchten Zwischendialoge sind
zwar nicht besonders peinlich, aber durchaus beziehungskomödienkompatibel
(man denke etwa an den unerträglichen X-Filmer Dani Levy). Mit der Origina-
lität ist das so eine Sache. Natürlich können Tykwer und sein Kameramann
Frank Griebe einiges, aber im Medien-Mix, in der Gewagtheit der Einstellungen
und Montagen und Schnitte ist z.B. Oliver Stones Natural Born Killers meilen-
weit voraus - und auch da scheint einem so manches überflüssig. Die Geschichte
selbst ist öde, voller Versatzstücke, die keinen Spaß machen. Die Zukunftsflashes
angerempelter Passanten sind monströs einfallslos: Lottogewinn, Drogentod, Lie-
besgeschichten (ok, sie sind so banal wie das Leben selbst). Aber ich habe mir
immer gedacht, das sollte doch ein Märchen sein. Wenn man sich schon wün-
schen kann, nicht sterben zu müssen. Wenn man schon per Wunsch und Wille
100 000 Mark im Casino gewinnen kann. Das um jeden lokalen Realismus unbe-
sorgte Berlin, das die rennende Lola da erläuft, ist eigentlich ein guter Anfang,
hübsch die unterschiedlichen Querungen des Gendarmenmarkt-Bodens, von oben
gefilmt (die ersten beiden Male; beim dritten Mal von der Seite). Alles in allem aber
ist die Geschichte zu psychologisch: die Beziehung von Manni und Lola, des Vaters
und seiner untreuen Freundin. Das passt alles einfach nicht zusammen. Und auch das
Nicht-Zusammenpassen passt nicht.

Das Problem mit den Schauspielern, insbesondere mit Franka Potente, ist, daß sie zu
real sind. Es fehlt ihnen am schauspielerischen Handwerk und so wirken Bleibtreu und
Potente nicht wie die Comic-Figuren, die sie sein müßten, um den Film so vergnüglich
zu machen, wie er hätte werden können, sondern wie aus dem deutschen Alltag entlau-
fen, wo man alles schrecklich ernst nimmt, vor allem aber Beziehungsprobleme (die Fi-
xierung junger deutscher Regisseure darauf ist erstaunlich).  So ist zuletzt auch Lola rennt
ein Problemfilm, der seinen Problemen durch Davonlaufen zu entkommen hofft. Das Ren-
nen ist ok (wenn auch das ganze ein bißchen was von Jost Stollmann hat, von wegen nicht
denken, nur laufen). Das Problem sind die Probleme. Dabei hätte der Film ein vergnügli-
ches Gegenwartsmärchen werden können. Wäre er leichter, wäre er verrückter, wäre er
ein anderer Film.

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