requiem für eine romantische frau

r: dagmar knöpfel d 1999


Zu den Klischees romantischer Dichtung gesellen sich stets solche vom Leben und Lieben
romantischer Dichter. Experimentelle Paarbeziehungen und das Austesten eines neuen bür-
gerlichen Codes von Liebe als Passion gehen im so wohlwollenden wie womöglich allzuoft
unpräzisen Blick aufs Biografische Hand in Hand. Dagmar Knöpfel hat, mit Hilfe einer Vor-
lage von Hans Magnus Enzensberger, einmal genauer hingesehen und präsentiert eine Re-
konstruktion der Liebesbeziehung zwischen Clemens Brentano und Auguste Bußmann.
Der Film ist erstaunlich nüchtern. Weder erstickt er seine Geschichte oder seine Figuren im
Dekor noch entwickelt er den Wunsch, in manipulativer oder mimetischer Absicht selbst
leidenschaftlich zu werden. In exzellenter Ausleuchtung, stilvoller Kadrierung und manch
ironischer Kamerabewegung (Kamera: Igor Luther) reiht sich, chronologisch, aber in, trotz
oder wegen ständiger Datierung, sprunghaft diskontinuierlicher Manier, eine Szene dieser
Ehe an die nächste. Es bleibt der Eindruck des Ausschnitthaften. Inszeniert werden nicht in
erster Linie Höhepunkte, erzählt wird nicht in narrativer Dreiaktigkeit eine Fabel vom Schei-
tern einer Liebe - das Prinzip hinter den Szenen ist nicht Entwicklung, sondern Wiederholung.
Wieder und wieder prallen Auguste, vehement Leidenschaft einfordernd, und Clemens, hin-
und hergerissen, abwehrend, so hilflos wie feige angesichts der Absolutheit seiner Frau, auf-
einander. Mal ist er ihrer unverblümten Sinnlichkeit überdrüssig, mal kann er nicht widerstehen,
er schiebt sie ab und sucht sie dann doch wieder auf. Kaum hat er sie an sich gekettet, ist
sie ihm lästig. Er schreibt und weist Auguste und zugleich alle Verantwortung von sich. Er
umgibt sich mit seinen männlichen Freunden, den Brüdern Grimm (Stofftiger, sagt die Kamera
sehr witzig an einer Stelle), Achim von Arnim, und mit seiner intriganten Schwester Bettina,
die Auguste von Beginn an als Konkurrenz eifersüchtig abzudrängen sucht. Auguste dagegen,
über die man nicht viel erfährt, erscheint dagegen als pure Energie. Ständig in Bewegung -
und zwar auf Brentano zu, verzweifelt drohend, fordernd, lachend, nicht zu bändigen. Dabei
erscheint sie weniger verliebt denn als das Prinzip eines Lieben-Wollens oder gar Lieben-
Müssens, das an seiner eigenen Unbedingtheit wie Ziel- und Objektlosigkeit ebenso scheitert
wie an der Gleichgültigkeit oder Ablehnung der Umgebung.
Das 'Requiem für eine romantische Frau' ist dezidiert keine Liebesgeschichte, ist kein histori-
scher Kostümfilm; eher die sehr konkrete Analyse einer Idee von Liebe, die historisch situiert
wird, aber nicht historisiert. Der Film rekonstruiert das Modell eines auch heute noch möglichen
Scheiterns von Liebensansprüchen. Er enthält sich jeden Kommentars. Vielleicht war Auguste
nicht zu helfen. Vielleicht doch.

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