ronin


John Frankenheimers neuer Film 'Ronin' beginnt auf Augenhöhe. Die Kamera folgt Jean Reno, Robert
de Niro dicht, als Handkamera, konzentriert auf jede ihrer Bewegungen. Damit ist eine erste Zuschauer-
perspektive vorgegeben: nur unwesentlich über den Köpfen der Figuren, mitgefangen und mitgehangen in
dem undurchsichtigen Spiel, das sich entfaltet.

Nach den ersten zwanzig Minuten aber kommt eine erste große Totale aus jener göttlichen Sicht, die sich
im Kino dem Hubschrauber verdankt. Wie ein Adler stößt die Kamera auf Nizza nieder - und es wird zwei
weitere solche Zooms geben, vom Makrokosmos hinein einmal in die darauf bald unabsehbar labyrinthische
Stadt Arles mit der antiken Arena; ein zweites Mal hinab in felsige Landschaft, in Verfolgung eines Autos.

Diese beiden Perspektiven sind nicht kompatibel und es ist bedauerlich, daß der Film letztlich für die göttliche
optiert und damit eine bedrohte Ordnung wiederherstellt. Zunächst nämlich mag die Geschichte als deut-
lich postideologisches Arrangement erscheinen, Porträt einer Gruppe von Desperados, angeheuert von
einem unsichtbaren Auftraggeber, gewissenlose Killer ohne politische Bindungen. Die Vergangenheit der
fünf Männer, die den Auftrag haben, einem nur schemenhaft sichtbar werdenden Gegner einen Koffer zu
entwinden, bleibt im Dunkeln. Stattdessen wird ein japanischer Mythos erzählt, der Mythos der Ronin,
eine Geschichte von Samurais, deren Herr getötet worden ist, deren letztes Geschäft, zur Wiederher-
stellung der eigenen Ehre, die Rache ist. Darauf kann nur noch eines folgen: der rituelle Selbstmord. Am
Ende des Films weiß man: dieser Mythos führt völlig in die Irre. Auf keine der Figuren paßt der Name,
die Bezeichnung 'Ronin', jede der Figuren hat eine andere Motivation, diesen Auftrag anzunehmen, aber
es ist nicht die eigene Ehre, die auf dem Spiel steht.

Zu Beginn scheint der Film angelegt als eine Art bewußter Gegenentwurf zur Coolness der Tarantino-
Schule. Wo Tarantino Wert legt auf satte Farben, auf ein Kino in Cinemascope (als Metapher genommen),
setzt Frankenheimer auf zerknitterte Charaktere, auf schmutzige Bilder, aus denen alle Farbigkeit wie rausge-
waschen wirkt (er hätte am liebsten in Schwarz-Weiß gedreht, sagt er im Interview). Großartig an den
zudem grandios choreografierten Auto-Verfolgungsjagden sind die rauhen, brutalen Motorengeräusche,
ist die baßlastige, sich aber nie vordrängende Musik. Dieser Film will schmutzig sein.

Umso bedauerlicher ist es dann, daß er, je länger er dauert, sich die Finger doch nicht dreckig machen
will. Was als kaum entwirrbares Knäuel anfangs faszinierte, entfaltet sich zu einem immer eindeutigeren
Polit-Thriller, der Gut und Böse fein säuberlich verteilt und am Ende den Sieg des Guten ins Werk setzt.
Die größte Dummheit, die am Schluß kommt, nimmt dann fast nicht mehr wunder. Während den ganzen
Film über der Erzähler unsichtbar neutral blieb, hören wir, die letzten Sätze des Films, die Stimme Jean
Renos aus dem Off, die, als müsse es nun auch noch eine Botschaft geben, einige dämliche hemingway-
artige Sätze spricht. Da hat David Mamet, der einmal mehr als Skriptdoktor tätig war, wirklich nicht
aufgepaßt.

Besucher Nr.

seit dem  5.12.1998