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Spike Lee ist der große Didaktiker unter den Filmemachern, und das gilt auch für seinen neuen Film
'He Got Game'. Das ganze ist die lehrhafte Moritat vom vielversprechenden Jung-Basketballspieler Jesus
Shuttlesworth und der raffgierigen Welt, die Einfluß auf ihn gewinnen möchte. Die Story ist von klassi-
scher Simplizität, man könnte auch sagen: Eleganz. Eine Woche bleibt Jesus für die Entscheidung, auf
welches College er gehen möchte, eine Woche bleibt seinem Vater, Einfluß darauf zu nehmen. Auch
dessen Zukunft hängt von der Entscheidung seines Sohnes ab, der Gouverneur hat ihm Haftverschonung
versprochen für den Fall, daß Jake seinen Sohn zur dem Gouverneur genehmen Wahl überredet. Denn
Jake sitzt im Gefängnis, weil er seine Frau erschlagen hat (er ist wegen Mordes zu 15 Jahren verurteilt,
obwohl es sich, wie man später in einer Rückblende sieht, im schlimmsten Fall um Totschlag handelte).
Und sein Sohn verweigert jeden Kontakt mit ihm. Auch Jake bleibt eine Woche, für die er Freigang
bekommen hat, sich seinem Sohn wieder anzunähern. Der Spannungsbogen ist makellos, verdankt
sich der Unerbittlichkeit des Countdowns - und es gelingt Spike Lee, diesen Film Szene um Szene
zu einem so komplexen wie anrührenden Drama zu verdichten.

Das ganze ist, wie schon gesagt, nicht ohne seine didaktischen Momente, aber immerhin ist es
Didaxe ohne moralische Urteile. Dennoch überschreitet der Film das eine ohne andere Mal die Gren-
zen des Erträglichen: etwa wenn ein reiches weißes Arschloch mit dem Spitznamen 'Big Time' Jesus
von den Gefährdungen des Lebens eines Schwarzen berichtet und Spike Lee das alles (Drogen, Frauen)
Bild für Bild erläuternd, oder eigentlich: nur verdoppelnd, ausbuchstabieren muß. Oder wenn an der
Tech U, einem der Colleges, die sich um Jesus reißen, die Mischung aus Arschkriecherei und dreister
Heuchelei (John Turturro hat hier einen dennoch göttlichen Kurzauftritt) in aller Überdeutlichkeit vor-
geführt wird. Wenn man aber erst einmal kapiert hat - und genau genommen sollte man das bereits
nach dem technisch und formal virtuosen Vorspann kapiert haben -, daß es sich hier nicht um einen
Versuch in sozialem Realismus handelt, sondern buchstäblich um ein Stationendrama, das die Kunst
der Überspitzung und Überhöhung von Szenen und Figuren beherrscht, fallen diese Übertreibungen
nicht mehr sehr ins Gewicht. Man akzeptiert dann auch jenen Teil des Films, in dessen Mittelpunkt
Jesus' Vater Jake steht (Denzel Washington, zu erkennen beinahe nur an seinem großartigen Spiel)
und der noch einmal so etwas wie ein separates Erlösungsdrama ist, in dem eine überraschend gute
Milla Jovovich beherzt gegen die Klischees ihrer Rolle als herzensgute Nutte anspielt.

Es ist aber vor allem eine geniale Idee Spike Lees, die diesen Film zu einem Meisterstück macht:
der Einsatz der Musik von Aaron Copland als ständiger kontrapunktischer Kommentar zur dialog-
satten Handlung. Die Musik bietet (im Verbund mit einigen wenigen Bildern und auch Kamerafahrten
von großer Schönheit) eine komplette zweite Ebene, auf der auch die mitunter banalen und arg
belehrend daherkommenden Dialoge zu leuchten beginnen. Spike Lee hat da viel gewagt - und er
hat alles gewonnen.

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