Peter Chelsom ist ein Meister des pathetischen Moments, der Stillstellung der Handlung im Affekt
von Bild und Musik. Sein großartiges Debüt 'Hear My Song' kam dieser Kunst der mise-en-scène
mit einem sofort sympathischen Figurenarsenal, skurrilem Humor und einer anrührenden Erlösungs-
geschichte entgegen. Bereits in 'Funny Bones' war die Gefahr der Verselbständigung des einzelnen
Moments gegen den Rest des Films nicht zu übersehen. 'The Mighty' nun sabotiert durch seine
erzählerische Eindimensionalität die Überzeugungskraft des Rührungsaufwands, droht gar, ihn als
Maschinerie des Sentiments zu entlarven.

Der Buddy-Movie-Kombination à la 'Von Mäusen und Menschen' mit der Freundschaft des starken
aber dummen und des verkrüppelten aber intelligenten Jungen mangelt es an Doppelbödigkeit. Die
zweifache und gegenseitige Emanzipation wird in ihren psychologischen Mechanismen so schlicht
erklärt wie auch vorgeführt und am Wegesrand winkt die Erzählung mit den Zaunpfählen humanisti-
scher Freundlichkeit. Der Eskapismus in eine verzauberte zweite Welt der Arthussage ist nichts als
das, die Perspektivübernahme der Kamera, die hin und wieder Ritter zeigt, ist so schüchtern wie
überflüssig. Den take-off zum Märchen hat man an diesen Stellen so wenig gewagt wie im Rest
des Films ein Unterlaufen der Klischees und Schwarzweißcharaktere. Sharon Stone, Gena Rowlands
und Harry Dean Stanton bleiben Statisten, mit denen der Film nichts anzufangen weiß.

Die Pathos-Momente, in denen Chelsom die Unverbrüchlichkeit der Freundschaft der beiden
jubelnd inszeniert, wirken beliebig. Nicht daß sie hohl oder sentimental wären, ist ihnen vorzu-
werfen, sondern daß sie in der Vorhersehbarkeit der Geschichte keinen rechten Halt finden.
Die Uneinheitlichkeit des Films ist auch eine des Tons: er schwankt zwischen Komödie und
Tragödie, Psychologie und Fabulation, Märchen und Realismus. Das Tempo ist überaus ge-
mächlich und die plötzliche Beschleunigung einer unfreiwilligen Schlittenfahrt gegen Ende fällt
wiederum recht unbegründet aus der Reihe. Der Film stolpert von einer unpassenden Formel-
haftigkeit in die nächste, ohne je zu sich selbst zu finden. Alles Herzerwärmende wird
sogleich von Langeweile und kopfschüttelnder Distanznahme des Kunstverstands wieder auf-
gezehrt.

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