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Leserbrief von Stefan Rudolph, Marburg:

Zu "Alle werden Stefan Raab"

Mir hat die Idee, BB mal systemtheoretisch zu betrachten, gut gefallen. Und auch BB ersteinmal als das zu verstehen, was es ist bzw. sein soll: Unterhaltung. Wichtig war mir auch die Beobachtung, daß die BewohnerInnen des Hauses sich sehr wohl darüber bewußt waren, BB als Bühne nutzen zu können, um sich selbst zu vermarkten und die Debatte, ob sie denn nun vor dem "bösen voyeuristischen Fernsehpublikum" geschützt werden müssten, sich als überflüssig erwiesen hat.

Ob die Kategorisierung "Freizeit-Ich" für das, was wir von den im BB-Haus aufgetauchten Personen zu sehen bekommen haben, bei allen zutrifft, wage ich zu bezweifeln. Sie paßt ohne Frage auf den wahrscheinlich als Gewinner der ersten BB-Runde in Deutschland herausgehenden Jürgen und läßt sich in seiner Person verdichten (er hat von Anfang an darauf gesetzt, nichts von seiner eigentlichen Person zu zeigen, sondern nur das, was er bei diesem Spiel - wie er es selbst immer wieder ausdrücklich bezeichnet hat - zeigen möchte - ob er so viel zu zeigen gehabt hätte, bleibt offen). Auf jeden Fall zeigt das BB-Haus keine natürliche Situation wie es viele vielleicht gern gehabt hätten.

Mir selbst war beim Anschauen von BB v.a. wichtig, zu beobachten wie sich die Dynamik der Gruppe, der stattfindende Gruppenprozess entwickelt, wie die Leute nach und nach etwas von sich zeigen oder nicht und wie sie sich sozial gegenüber den anderen verhalten in einer Situation der Isolation und der möglichen gegenseitigen Konkurrenz. Bis zum Schluß übrig geblieben sind die drei, die von Anfang an v.a. auf sich selbst und die Gruppe als ganze (Ausnahme ist hier vielleicht Jürgen) gesetzt haben, nicht aber auf bestimmte Einzelne in der Gruppe (vgl. Ablehnung der Paarbildung von Kerstin und Alex durch das TV-Publikum).

Noch ein paar Worte zum Thema Unterhaltung. Sie ist mit Sicherheit und leider nur das nachgeordnete Ziel für RTL II. Das Privatunternehmen ist ersteinmal daran interessiert, mit BB eine Menge Geld zu verdienen (und das nicht nur mit den Einschaltquoten der TV-Show, sondern auch mit Zeitschriften, Mitverdienstmöglichkeiten bei ihren neuen hausgemachten "Stars" etc.). BB ist ein hervorragendes und erschreckendes Exempel, worum es in unserem System v.a. geht: ums Geld. Das Zusammenspiel von Geld, Werbung, Bedeutung der Medien für die Interessenbildung einer Gesellschaft, Popularität etc. ist an der Maschinerie BB überdeutlich sichtbar.

Trotz allem, es hat Spaß gemacht, ab und zu mal reinzuschauen ins BB-Haus - auch wenn ich statt ein paar "Hantel-Hanseln" lieber ein paar engagiertere und buntere Menschen gesehen hätte, die wirklich etwas zu erzählen gehabt hätten, da ihr Leben eben nicht einer deutschen Normalbiografie entspricht und die ernsthafte Diskussionsbeiträge zu gesellschaftlichen Themen hätten liefern können. Das läßt sich aber in Deutschland nicht verkaufen - nur so läßt sich ja auch die über Jahre nicht enden wollende Ära Kohl erklären: degenerierte Gespräche und Meinungsplatitüden stehen im "Volksinteresse" hoch im Kurs. Sicher. Hier liegt auch meine Kritik an BB. Nach dem Kriterium "Unterhaltung, die Geld bringt" wird entschieden, wer in das BB-Haus rein darf (und linke politische Themen sind da z.B. nicht gefragt), welche Bildsequenzen gezeigt werden (nicht die Personen selbst, sondern der Sender entscheidet letztendlich, welchen Eindruck die Zuschauer von den Leuten im Haus gewinnen), welche Wochenaufgaben gestellt werden etc. Und da die Unterhaltungsindustrie nicht nur auf die Interessen ihrer KundInnen reagiert, sondern eben auch öffentliche Meinung erst erzeugt, ist das Projekt BB mit Vorsicht zu genießen und nicht die beste Unterhaltung für ein unkritisches Massenpublikum.

Stefan Rudolph, Marburg

Anwort von Carsten Zorn:

Lieber Stefan Rudolph,

wollte nur kurz sagen, daß mir an Ihrem Leserbrief etwas gefallen hat, was er
eher nur anspielt: Die Möglichkeit nämlich, BB gewissermaßen als Bühne für
politische Agitation zu verwenden. Bzw., noch weitergehend, oder überhaupt:
Sich einmal zu überlegen, was da, wenn man nur das richtige Personal hätte,
alles möglich wäre (z.B. mit einem Typus wie Andy Kaufman "Der Mondmann").
Jedenfalls habe ich mich auch immer gefragt: Warum halten die sich alle an
die Regeln? Man hätte diese Bühne sich aneignen und sonst was tun können
(schon weil man, denke ich, schnell das Publikum gegen den
"RTL2-Führungsoffizier" (Detlef Kuhlbrodt) auf seiner Seite gehabt hätte.)

Mein Vorschlag (was die politische Agitation angeht): Bewerben Sie sich doch
einfach für die nächste Staffel. (Wahrscheinlich müßten Sie sich beim Casting
natürlich verstellen, aber danach...
Das ist gar nicht so unernst gemeint wie es sich vielleicht anhört.