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Henrik Ibsen: Nora, Inszenierung: Thomas Ostermeier  (Schaubühne  Berlin, Juni 2004)

Kritik von Ekkehard Knörer

  

Die Bühne: Rechts die Sitzgruppe, dahinter das Aquarium, das zweimal zum Bade laden wird und am Ende zum Sterben. Die Sitzgruppe, zwei Mies-van-der-Rohe-Sessel, weiß, der Tisch aus Glas. Links, durch eine laufstegartige Fortsetzung der Treppe abgetrennt, die weiße Couch. Im ersten Stock, hinter Milchglas, das Büro. Maisonette-Bühne, Kinderzimmer, unten die Küche, die Eingangstür, durch die allerlei Unwillkommenes eindringt ins Puppenheim, dem allerdings, bei Ostermeier, die zentrale Metapher genommen ist.

Gegeben ist Ibsens Stück im Gegenzug mancherlei. Die Schüsse zum Schluss, Helmer verendet, ins Aquarium hängend. Die Maske für Nora, sie geht Tanzen als Lara Croft. Rank eine unflätige Rede, Ausweis des Kurrenten. Die Kinderlein, sich aufführend, aufgeführt. Das Au-Pair-Mädchen Monika, in dem zwei Ibsen-Figuren in eins fallen. Das Freisprech-Handy. Und die Musik, die Musik, die Musik. An ihr kristallisieren das Halbstarke, die schlichte Dummheit, die diese Inszenierung prägen. An die Stelle feingetunter Psychosozialintrospektionen treten, mit einem keineswegs wohl begründeten Schlag und rabiat, der Lärm, das Techno-Gebizzel, der Text der Musik und die Musik. Alte Schaubühne, neue Schaubühne. Nicht mehr das Stülpen eines Inneren ins dargestellte Außen, sondern Vorführen des Außen als Körperäußerung, Körperentäußerung. Geschüttelte Körper, entfahrende Schreie als lautstarke Absagen an alle Subtilität und Ambivalenz. Soma statt Psyche, es wird, aber reichlich unentschlossen, in Castorfsches Gelände rübergefuhrwerkt. Mit dem einen oder anderen Rückzugsmanöver in Restmomente des Innerlichen: der schöne Baum, die schönen Hände.

Schauspieler braucht's als Kraftmeier. Schüttelkranke. Textbrockenschleuderer. Was sie von den Figuren wollen, die Regie vom Stück, das bleibt recht unergründlich, einerseits. Und, andererseits: nicht mehr vielleicht als die Transformation des Ehe-Sozialdramas ins Kitchen-Sink-Soziale neuerer Schaubühnen-Prägung. Der Schick des Elends in der schicken Maisonette-Wohnung. Situiert allerdings ist das nirgends. Nicht in der Gegenwart, nicht in der Vergangenheit. Postfeministisches Signal: Lara Croft, nichts dahinter. Keine These, keine Deutung. Die Figuren sind Staffage für ein Stück, das nicht gegeben wird. Gedrehte Bühne, leere Wand. Es spielt die Musik, I don't love you anymore, Anne Tismer in der weißen Jacke. Helmer tot, sie sackt zusammen. Kein Vorhang.

     
 

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