BUCH DES MONATS JULI

Paula Fox: Was am Ende bleibt

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Paula Fox: Was am Ende bleibt

Paula Fox' Roman „Was am Ende bleibt" gehört zu den Büchern, die ihr sprichwörtlich eigenes Schicksal haben. Vor 30 Jahren erstmals veröffentlicht, ein moderater Kritikererfolg damals, immerhin auch verfilmt, dann aber von der literarischen Öffentlichkeit langsam, aber sicher vergessen, ebenso wie die Autorin, die lediglich als Verfasserin von Kinderbüchern noch einen weithin bekannten Namen hatte. Dann, letztes Jahr, eine Neuauflage des vergriffenen Buches; Leser und Kritiker sind begeistert, schlagen es ohne weitere Umstände der Weltliteratur zu. Übersetzungen folgen. Eine rationale Erklärung gibt es kaum für den Erfolg. Ist alles nur Hype? Klare Antwort nach der Lektüre: keineswegs.

„Was am Ende bleibt" ist ein sprödes Buch. Vieles, das uns interessieren könnte an der Geschichte der Figuren, an ihren Motivationen, bleibt ungesagt. Fast durchgehend hat der Roman nur eine Perspektive, die seiner Protagonistin Sophie Bentwood. Wir finden sie, mit der Anfangsszene, bereits in jenem Ehegefängnis mit ihrem Mann Otto vor, aus dem ein Entkommen je mehr wir erfahren, je unwahrscheinlicher wird. Die knappe Beschreibungssprache der Autorin verdeutlicht das mit einem Schlag, im kühlen Blick auf die aufgeräumte bürgerliche Wohlhabenheit der Wohnung, ihrer Einrichtung, in Sophies Wahrnehmungsspuren, denen der gelenkte Blick des Lesers folgt. Der auf der ersten Seite, in den ersten Sätzen souverän gesetze Ton wird für den Rest des Buches beibehalten.

Geschildert werden nur wenige Tage im Leben der Heldin, Alltag eigentlich, der aber von leisen Katastrophen unterwandert wird. Das Schlimme ist: es kommt gar nicht zu dramatischen Ausbrüchen - und falls doch, bleiben sie seltsam folgenlos. Eher handelt es sich um eine Krise, die permanent geworden ist.

Es gibt jedoch einen Auslöser - oder besser: Katalysator, der zum Leitmotiv der Geschichte wird. Sophie wird von einer Katze, die sie nur füttern will, gebissen. Die Hand schwillt an und zu Verletzung und Verletztheit kommt schnell die Sorge, das Tier könnte tollwütig gewesen sein. Erst am Ende des nicht zuletzt von dieser untergründigen Spannung getragenen Romans klärt sich die Frage.

Tollwütig freilich, auf eine erstickte Art, sind alle Figuren des Romans. Infiziert mit einem Virus stiller Aggressivität. Das Ehepaar, das sich immer wieder gegenseitig verletzt, und diese Verletzungen in Anflügen von Reue zurücknehmen will. Der Kompagnon von Ottos (Sophies Mann) Anwaltskanzlei, der sich selbständig machen will und Otto mit Vorwürfen und Intrigen attackiert. Die ältere Freundin Sophies, die in einer heillosen Beziehung feststeckt. Und dann noch eine alte Bekannte, die in üblicher Gedankenlosigkeit anruft und von Sophie im einzigen wirklichen Ausbruch des Buches scharf beleidigt wird.

Auch daraus aber folgt keine Befreiung. Als das Ehepaar aus der Stadt, New York, fliehen willen, finden sie das Wochenendhaus verwüstet vor. Vandalen haben ohne Sinn und Zweck zerstört, was sie zerstören konnten. Die Krise ist nicht nur permanent, sie ist allgegenwärtig. Statt Liebe gibt es bloßes Ertragen am Rande zum Ekel und statt Sex eine rohe Beinahe-Vergewaltigung. Sophie wird die Erinnerung an eine Affäre nicht los und Otto versinkt in Selbstmitleid.

Die Kunst der Autorin besteht nun darin, das alles ohne jede Larmoyanz zu schildern. Ihre Sprache ist knapp und klar, elliptisch, elegant, aber nicht gefällig. Von den Beschreibungsdithyramben James Salters, des Autors eines anderen großen amerikanischen Eheromans, ist sie Lichtjahre entfernt. Wärme gibt es nicht in der Welt dieses Romans, nur ein kurzes Aufglimmen fast erloschener Erinnerung an ihre Möglichkeit. Dann aber kommt ein bösartiger Katzenbiss dazwischen, ein verletzendes Wort oder nur schnödes Desinteresse am anderen. Selbst zur Protagonistin hält der Roman Distanz. Ihre leise Verzweiflung steckt in jedem einzelnen Satz. Der Grund liegt in den präzise und mitleidlos beschriebenen Verhältnissen. Hoffnung gibt es keine. Versöhnung wäre Lüge. Der Roman blickt der Verzweiflung am Alltag ins Auge.

Paula Fox: Was am Ende bleibt. C.H. Beck 2000. 200 Seiten. DM 38

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engl.: Paula Fox: Desperate Characters W.W. Norton. Taschenbuch.ca. DM 25.

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