6/26/2004

Deutscher Film, Thomas Koebner

Bei Cinefoyer gibt es ein Gespräch mit Thomas Koebner, dem in der akademischen Szene überaus einflussreichen Filmprofessor in Mainz. Er sagt ein paar nicht weiter auffällige Dinge zum Stand der Dinge beim deutschen Film, verteilt ex cathedra Lob (Nico Burkhardt) und Tadel (Goodbye, Lenin!) und wird dann zum Ende hin doch noch väterlich streng:

Und dann liegt es, Entschuldigung, zum Teil auch daran, dass deutsche Filmemacher zu wenig Bildung haben. Da ist zum Beispiel ein entscheidender Unterschied zu Frankreich. In der Bildung, dem Wissen um literarische Motive, archaische Konflikte, im Spiel mit kulturellen Traditionen und Unterschieden liegt eine ungeheuer reiche Inspirationsquelle. Ein Film wie Kryzstof Kieslowskis "Die zwei Leben der Veronika" z.B. - wie feinsinnig der mit dem Motiv des Puppenspiels und der Metamorphose, Bildern vom Kokon und Schmetterling arbeitet, das ist einfach großartig. Wann finden Sie das schon mal bei uns? Und man merkt dem deutschen Film an, dass die Leute von all dem keine Ahnung haben und mit einem sehr kurzen Gedächtnis arbeiten. Es fehlt ihnen nicht nur an Sensibilität und sozialem Blick, es fehlt ihnen auch das Wissen um die Geschichte des deutschen Films.

[via filmz]

6/25/2004

NZZ: Sayles, Ratanaruang

Ach, Schweiz, du hast es mal wieder besser! Den Besprechungen der NZZ ist zu entnehmen, dass dort heute sowohl der neue Film von John Sayles (wir vermissen hierzulande damit schon die letzten beiden...) "Casa de los Babys" als auch Pen-Ek Ratanaruangs "Last Life in the Universe" (siehe auch unsere Liste unsichtbarer Filme) anlaufen. Über den Sayles schreibt Thomas Binotto etwas zwiegespalten:

Es wirkt, als ob sich Sayles selbst in der von ihm entworfenen Erzähllandschaft nicht immer zurechtfände: Vieles bleibt zusammenhanglos, manches lässt unberührt, und einiges streift gar das Klischee. «Casa de los babys» ist ein sehenswerter und thematisch sogar aussergewöhnlicher Film, gemessen an John Sayles' besten Werken jedoch nur Durchschnitt.

Und Andreas Maurer ziemlich hymnisch über den thailändischen Film (wobei anzumerken ist, dass Ratanaruang mit Apichatpong Weerasethakul schlicht gar nichts gemeinsam hat, sondern aus der jungen Schule thailändischer Regisseure stammt, die viel Werbung gemacht haben und den Überschwang ihres handwerklichen Könnens nun ins Kino bringen. Oft wenig subtil, aber doch überwältigend):

Ausserhalb von Bangkok, am Meer, fernab jeder Neon-Ästhetik, betreten wir Nois Zuhause, eine heruntergekommene Villa Kunterbunt. Einen der schönsten Filmräume der letzten Jahre: Hier erfinden die beiden Schauspieler für die Trauer eine Sprache - ohne Worte. Es fallen nur Brocken von Pidgin-Englisch («You masturbate a lot?»), und im Hintergrund leiert eine Kassette Japanisch- Vokabeln herunter, weil Noi in Kürze auswandern wird.

Filmakademie

Die Warte, von der aus einem das ganze Gezänk um die Filmakademie am Arsch vorbei gehen kann, ist leicht eingenommen. Nur sollte man nicht übersehen, dass da mit viel Geld (mehr Geld auf einen Haufen gibt es im ganzen bundesrepublikanischen Kulturförderland nirgends) auch darüber entschieden wird, welche Filme gemacht werden und welche nicht. Erinnert werden darf daran, dass etwa das jüngste Projekt Thomas Arslans (der mit "Dealer" und "Der schöne Tag" zwei der stärksten deutschen Filme der letzten Jahre gemacht hat) von allen Seiten schnöde abgelehnt wurde. Kein Zufall also, dass Cristina Nord in einem taz-Artikel, in dem sie dem Ehren-Präsidenten der Akademie, Günter Rohrbach ihre Meinung sagt, gerade die Vertreter der sogenannten "Berliner Schule" herbeiruft, die - wie zuletzt Angela Schanelec mit "Marseille" in Le Monde, den Cahiers und Libération - im Ausland (und durchaus auch hierzulande) hymnisch besprochen werden, ohne aber große Marktanteile zu erreichen. Selbst der Filmpreis-nominierte Film "Wolfsburg" von Christian Petzold (heute Abend auf Arte zu sehen) ist nur mit winziger Kopienzahl in die Kinos gelangt und hat kaum mehr als 10000 Zuschauer erreicht. Diese Filme, die nichts nötiger haben als kluge Kritik und aufgeschlossene Fördergremien und Preisjurys, werden es, um nun auf den Artikel zurückzukommen, in Zukunft verdammt schwer haben. Cristina Nord schreibt:

Wenn die bisherige Jury, in der deutlich mehr Branchenvertreter als etwa Filmhistoriker, Filmkritiker oder auch unabhängige, dem Film als Kunstform sich verschreibende Regisseure saßen, "Good Bye, Lenin" mit Preisen überhäufte, dann lag das daran, dass ein Mehr an künstlerischem Film nicht durchzusetzen war. Das wird sich aber nicht bessern, wenn 500, 1.000 oder 2.000 Akademiemitglieder abstimmen. Es würde sich erst bessern, sobald man sich traute, die Jury anders zu besetzen: mit Filmschaffenden wie Thomas Arslan, Ulrich Köhler oder Angela Schanelec, die den neuen jungen deutschen Film repräsentieren, mit weniger Kinobetreibern und Parteipolitikern - und mit mehr als einem Filmkritiker.

Sidney Lumet zum 80.

Zum Achtzigsten gratulieren dem vielseitigen Sidney Lumet ("Die zwölf Geschworenen", "The Verdict"), dem ein starkes Spätwerk leider nicht vergönnt war, in der Süddeutschen Fritz Göttler:

Vor ein paar Jahren ist er heimgekehrt, '100 Centre Street' lautet seine neue Adresse, so heißt die Serie, die er für A&E Network kreierte im Januar 2001. Eine Reihe von kleinen Dramen in einem amerikanischen Gerichtssaal, bei denen er auch thematisch auf sicherem Terrain war - die meisten Kritiker sind sich einig, dass sein Werk vor allem um Recht und Gesetz kreist, der Ambivalenz von Justiz und Gerechtigkeit nachspürt.

Und in der FAZ verfasst Michael Althen das Glückwunschschreiben:

In den Achtzigern hat er mit 'Prince of the City' und 'Q & A' zwei der ernsthaftesten Polizeifilme inszeniert, die zeigten, daß es zwischen Gut und Böse auf simple Fragen keine einfachen Antworten gibt. In diesem Jahrzehnt der funkelnden Oberflächen strahlten seine Filme wie 'The Verdict' oder 'Der Morgen danach' eine bemerkenswerte Düsternis aus, die ihn lange nach seiner vermeintlich großen Zeit zu einem der spannendsten Regisseure des amerikanischen Kinos machte.

6/24/2004

Michael Moore Portrait im "New Yorker"

David Denbys Rezension von Michael Moores "Fahrenheit 9/11" wurde im Filmfilter bereits erwähnt. ("Moore-Bashing" ist übrigens nicht die zutreffendste Beschreibung von dem, was Denby macht. Dazu ist sein Urteil über den Film zu nuancenreich. Sollte einem der Sinn nach wirklichem Bashing, nach einer Totalabrechnung - oder zumindest dem Versuch einer solchen - stehen, dann kann man die bei Christopher Hitchens im Slate Magazine bekommen.)

Diese Woche hat der "New Yorker" ein umfangreiches Portrait (annähernd 12000 Wörter!) mit dem Titel The Populist. Michael Moore Can Make You Cry aus dem Archiv geholt. Darin geht es vor allem um die Biographie und Person des Dokumentaristen, wobei auch seine weniger angenehmen Seiten erwähnt werden. Dieser Absatz zu Beginn kombiniert politische und poetologische Beobachtungen:

Comedy and populism combine in Moore to produce a political force of especial potency, ridicule knocking down what anger leaves upright. They work together beautifully because they follow the same laws. The populist champions the man who works with his hands, with real stuff, against the one who works with his head. Populists are not revolutionaries—even left-wing ones are conservative, in the literal sense of the word. Revolution is an abstraction, an intellectual idea; populists want to return to roots, to basic values, to solid things—to the way things were before intellectuals and financiers corrupted them. Comedy, too, is on the side of the body and against the soul. It mocks hubris, affectation, and hypocrisy, but it also mocks originality, utopianism, and earnestness. It takes the point of view that, in the end, we are just bodies, eating, defecating, and copulating, and everything else is pretentious rubbish.

Filmtheorie oder gar Detailanalysen aus den Arbeiten Moores kommen hingegen nicht vor. Es könnte trotzdem auch für Cineasten interessant sein, Näheres über den derzeit erfolgreichsten Dokumentarfilmer zu erfahren. Was man sich, da Moore heute von einer gesicherten Position aus polemisiert, in Erinnerung rufen sollte, ist, daß er mehrmals seine Karriere, wenn nicht gar seine Existenz aus Prinzipentreue aufs Spiel gesetzt hat. Beispiele: Die Kündigung beim "Mother Jones" Magazine (Details finden sich beim "New Yorker") oder die Finanzierung von "Roger & Me" durch den Verkauf seines Hauses.

Berliner Zeitung: Kinotag

Für Bert Rebhandl ist Takeshi Kitano in Zatoichi, der heute ins Kino kommt, "der allerletzte Samurai". Er liest den Film als Gegenentwurf zu Kurosawas Klassikern, lässt aber auch den etwa zeitgleich entstandenen, pathosschwangeren The Last Samurai nicht unerwähnt. Eine schöne Kritik, das am Ende erwähnte Interview mit Kitano vom 23.06. konnte indes im Archiv der Berliner Zeitung leider nicht ausfindig gemacht werden. Schade.

Claus Löser stellt in einer kurzen Notiz die DVD von Alejandro Jodorowskys Klassiker Santa Sangra vor, allerdings nicht die seit langem von Legend Entertainment angekündigte und immerfort verschobene Edition, sondern die Import-Fassung von Anchor Bay. Dabei gelingt ihm eine zwar knappe, aber sehr schöne Schilderung von Jodorowskys Werk und welche Umstände dieses torpedierten.

Weiteres: Jan Brachmann über den Kamelfilm Ässhäk - Geschichten aus der Sahara, Philip Bühler über den neuen Meg-Ryan-Film Die Promoterin, Wiebke Hollersen über die "Schwulenkomödie" Mambo Italiano, Andreas Krause über den Dokumentarfilm Eiszeit, der die Agenda 2010 zum Gegenstand hat.



taz: Interview mit Takeshi Kitano

Takeshi Kitano im Interview, zum Start von Zaitoichi:

Ich habe "The Last Samurai" nicht gesehen, ich kann mir also nicht wirklich ein Urteil bilden, aber nach allem, was ich gehört habe, macht er mir einen allzu ernsthaften Eindruck. All dies Geraune über die wahre Mentalität der japanischen Samurai und der Versuch der Filmemacher, das feudale Japan historisch korrekt darzustellen, die Detailtreue in den Kostümen und Requisiten - all das interessiert mich nicht. In Tarantinos "Kill Bill" habe ich mich hingegen prächtig amüsiert, weil er sich einen Dreck darum schert, ein treues Abbild Japans zu entwerfen. Er nimmt sich die Elemente, die er cool findet, und macht sein eigenes Ding draus.

ZEIT: Peter Lorre & Zaitoichi

Der Schauspieler und Publizist Hanns Zischler schreibt eine Hommage an Peter Lorre, zu dessen 100. Geburtstag:

Peter Lorre scheint den äußerst seltenen Fall einer wirklichen Doppelbegabung verkörpert zu haben. Sein Spiel auf dem Theater – also immer in der Raum-Totalen – war offenbar ähnlich suggestiv wie das des wesentlich robusteren und „direkteren“ Fritz Kortner. Beide waren in erster Linie eminente Techniker. Und weil diese vollkommene Sprechtechnik in nicht nachlassender Frische immer wieder hervorbrach, konnte sie auch im Film, also in der Welt nach der (Theater-)Totalen zur Geltung kommen. Hinzu kam in Lorres Fall eine bemerkenswerte historische und biografische Konjunktion: Er wurde zum Filmstar mit Anbruch des Tonfilms, und er rettete aus dem stummen Film und dem Theater ein ungeheures mimetisches Reservoir. Graham Greene konstatiert neidlos: "Lorre – und das ist vielleicht sein Unglück – kann fast alles."

Katja Nicodemus verfasst eine Hymne auf Takeshi Kitanos neuesten Film, die "Auftragsarbeit" Zaitoichi:

In Zatoichi sehen wir Kitano dabei zu, wie er einen Mythos der japanischen Populärkultur in sein eigenes, von Spiel und Tod geprägtes Universum überführt. Er selbst übernimmt die Rolle des Zatoichi, jenes blinden Schwertkämpfers und Masseurs, der über Jahrzehnte hinweg durch japanische Filme und Fernsehserien wanderte. War die Figur in den alten Filmen jedoch ein Rächer der Enterbten, ein warmherziger Robin Hood der japanischen Provinz, bekommt sie bei Kitano etwas unnahbar Aristokratisches. Platinblond gebleichtes Haar verleiht dem schweigsamen Helden die Aureole des Außenseiters.

6/21/2004

Morgan Spurlock in Germany

Morgan Spurlock, der Regisseur des Films "Supersize Me", der seinen versuchten "suicide by burger" dokumentiert (unsere Kritik), war in Deutschland auf Promotion-Tour. Er schreibt in seinem Weblog über das Brandenburger Tor und darüber, dass PRO 7 und SAT 1 sehr plötzlich kein Interesse mehr daran hatten, etwas über seinen Film zu bringen (wohl weil sie Angst um ihren oder eher: vor ihrem Werbepartner bekamen). Am beeindruckendsten war aber etwas ganz anderes:

That night Alex and I wandered around the Reeferbahn [sic!]. It's the part of town where everybody goes out at night (and coincidentally is also where all the ladies of the evening hang out.) It's unbelievable though. All these girls look like they should be in a sorority: young, blond, all rocking cool parkas, jeans and pump tennis shoes. Not what you'd expect AT ALL! I was in a state of shock. (Once again my impressionable young mind was in a tizzy.)

[via Daily Greencine]

Outlook India: Dev

Outlook India stellt heute Govind Nihalanis neuesten Film "Dev" vor:

By looking at the way majority communalism has crept into our constitutional institutions, corrupting them with ideological hardliners and rendering them incapable of rising to their calling, Dev makes a hard-hitting statement about the India we encounter. It’s about ‘us’ versus ‘them’, Hindus and Muslims, mainstream and isolated, ‘natural’ citizens and second-class citizens.

In der Hauptrolle Amitabh Bachchan, mit dem es ein kurzes Interview gibt und Antworten darauf sucht, warum der Film kein durchschlagender Erfolg ist:

But there never has been a film on the politicisation of the police. Another criticism is that it’s too verbose. But how do you get across ideas in an issue-based film if not through dialogue? I’m asked where all that wonderful dialogue of the ’60s and ’70s went; when we have a dialogue-driven film they say it’s too wordy...

[via Perlentaucher Magazinrundschau]

Al Ahram: Osama Fawzi

Wunderbar, der Perlentaucher hat wieder eine neue englischsprachige Zeitschrift entdeckt, Al-Ahram, veröffentlicht in Kairo. Vorgestellt werden darin der Film "Bahib Al-Sima" und sein Regisseur Osama Fawzi:

The film is set in the 1960s because, Fawzi explains, "there are many nuances to the story that [he] would have not been permitted to include in a film directly representing contemporary Egypt and because the historic distance allows for a contemplation of the root causes of the problems we face now. The narrator, the adult Naiim, provides a perspective showing on the religious, political, family and school institutions of that period that have shaped the present."

Dazu noch eine Kritik des Films, die betont, dass die Zensur mitder Drohung, ihn nicht für die Kinos zuzulassen, dem Film zu deutlich mehr Publikum verholfen hat:

Whatever the commotion surrounding the film, it certainly provided a very useful burst of publicity, whetting the appetite of an audience for a film that, if it had to rely simply on its not very commercial poster, might have passed unnoticed. Launched at the beginning of the summer season, when most students have not yet finished their exams, it was always likely to struggle at the box office. Thankfully, though, the censorship has given the film a boost, providing, for once, some good for a reasonable film.

New Yorker: Moore-Bashing, japanischer Horror

Michael Agger stellt Grady Hendrix vor, der mit dem "Asian Film Festival" den japanischen Horror nach New York bringt.Schade, dass der Artikel nicht umhin kann, sich an den sensationalistischeren Aspketen des Ganzen zu erfreuen:

Hendrix, who lives in Spanish Harlem, imports the most repellent, vile movies from Asia as a hobby, and the depth of his demented knowledge is impressive. If you wanted to see, say, a naked man suspended from hooks so that his skin stretches, while someone pours boiling oil all over him and sticks needles through his cheeks, well, he knows just the movie for you. (Hm, kennen wir den Film nicht auch?)


David Denby erklärt, warum Michael Moore kein großer Dokumentarfilmer ist:

The great documentary filmmakers of today—Frederick Wiseman, Marcel Ophuls, and Andrew Jarecki (of “Capturing the Friedmans”)—know that truth in an absolute sense is unattainable. It’s not even imaginable. Who would validate it? Who could say that another interpretation besides the filmmaker’s was out of the question? Movies are made by men and women, not by gods hurling thunderbolts of certitude. But the great documentary filmmakers at least make an attempt, however inadequate, compromised, or hopeless, to arrive at a many-sided understanding of some complex situation.

Das freilich wolle Moore nicht. Und darum wird er stets nur die Überzeugten überzeugen können:

Michael Moore has become a sensational entertainer of the already converted, but his enduring problem as a political artist is that he has never known how to change anyone’s politics.

[via Perlentaucher Magazinrundschau]

Cahiers du Cinéma (Juni)

Die Cahiers sind in ihrer Juni-Nummer erst einmal damit beschäftigt, das Desaster oder auch die Niederlage von Cannes zu verdauen. Die Verleihung der Goldenen Palme an Michael Moores "Fahrenheit 9/11" nämlich betrachtet Jean-Michel Frodon, der Chefredakteur, als Katastrophe ungekannten Ausmaßes:

Si Fahrenheit 9/11 était "seulement" un mauvais film, il serait bien temps de venir expliquer pourquoi, au moment d'en écrire la critique, lors de sa sortie en salles. L'affaire est ici beaucoup plus grave: pour la première fois de son histoire, ce que Cannes a couronné n'est pas un film. C'est au cinéma lui-même que le jury a fait insulte en distinguant un produit audiovisuel d'une autre nature et d'une autre visée. Michael Moore avait signé des films, comme "Roger and Me" ou "Bowling For Columbine". Cette fois, il a réalisé un tract télévisuel destiné à peser sur les prochaines élections américaines.

Die Konseuqenz, durchaus radikal, die die Cahiers ziehen: "L'autre festival", so der Titel und auf dem Titelblatt: "Tropical Malady" von Apichatpong Weerasethakul (wir verweisen ein weiteres Mal auf unseren Lexikoneintrag).Gleich zwei Artikel gibt es dazu. Im ersten schreibt Antoine Thirion:

Tropical Malady est sans coteste le film le plus déroutant de Cannes 2004. Sans doute est-ce aussi l'un des plus grands de ces dernières années.

Stéphane Delorme zieht eine Verbindungslinie zum Vorgänger "Blissfully Yours" (unsere Kritik):

Blissfully Yours s'achevait sur la félicité, la plénitude de l'étal, le repos éternel. Mais qu'y a-t-il après le bliss, la béatitude, pour nous qui ne sommes pas des dieux? Comment prolonger le bonheur? Que signifie s'abandonner à lui? La beauté royale de Tropical Malady est d'affronter cet après en insinuant l'inquiétude dans la quiétude, la malady dans le bliss. Mais ici nulle chute chrétienne, nul péché dans ce paradis: la malady n'est pas le mal au sens moral, le négatif du positif, mais au contraire l'angoisse du trop-plein.

Und weiter geht's mit dem anderen Festival: Gepriesen wird auch Angela Schanelecs "Marseille":

Construction fragile, bravant sans cesse le risque de l'arbitraire, et qu'une simple fausse note pourrait faire vaciller à tout instant, Marseille avance fièrement sur la ligne ténue, mais exigeante, de sa composition en creux.

Im Cahier Critique: Eine ausführliche Kritik plus Interview mit dem Regisseur zu Wang Bings Neun-Stunden-Film "A l'ouest des rails". Auch besprochen: Raymond Depardons ("Vom Westen unberührt") neuer Dokumentarfilm "10e Chambre, instants d'audiences". Ein ganzes Dossier gilt der Wiederentdeckung des Films "Idoles" von Marc'O aus dem Jahr 1968´:

Concentration d'énergies multiples dispersées alors dans le théâtre, l'art, le cinéma, et source d'inspiration pour beaucoup, dont Jacques Rivette. Adaptation de sa pièce par Marc'O, né Marc-Gilbert Guillaumin le 10 aril 1927, activiste polymorphe, ex-lettriste, producteur de Traité de bave et d'éternité, d'Isidor Isou, cinéaste, auteur pour le théâtre... Récit s'étoilant en maints espaces et occurrences autour du foyer central d'une conférence de presse pareille à un sacre ou à un enterrrement, pendant laquelle trois idoles yé-yé (...) paradent, chantent et dansent, s'offrent à leur public, racontent leurs débuts, dévoilent les manoeuvres de la presse et des producteurs, puis meurent.

Film Comment (Mai/Juni)

Ja, sehr spät dran, lag erst gestern im Briefkasten. Egal.

Im Editorial wird Olaf Möller vorgestellt, seit kurzem der für Europa zuständige Redakteur des Film Comment, hierzulande als Experte für Abgelegenes und Entdeckungen wohl bekannt (siehe zuletzt seinen Artikel über die kommunistische Rosenhügel-Filmproduktion in der taz). In diesem Heft stellt er das sizilianische Regie-Duo Ciprì und Maresco vor, das TV und TV-affine Filme macht:

Anything could happen in the sketch-based Cinico TV and Blob Cinico TV: Giordano playing a lump of excrement interviewed by a disembodied voice; the cast standing motionless in a field like statues from outer space; Miranda hanging himself; cast members staring down the viewer in front of a wall defaced with minimalist graffiti; Mafiaman wreaking havoc on some poor bastard's life, etc. The shows had no narrative arc and nothing linking the sketches except characters and a setting.

Außerdem liefert Möller den Hauptbericht von der Berlinale und tut so, als sei es ganz selbstverständlich, Romuald Karmakars "Die Nacht singt ihre Lieder" (unsere Kritik) und "Before Sunset" (unsere Kritik) als die eindeutig besten Wettbewerbsfilme zu betrachten. Zudem gibt es eine nicht ganz unverdiente Rehabilitation für John Boormans Südafrika-Film "Country of My Skull" (unsere Kritik). Nur online: Olaf Möller über Paolo Benvenutos Jesus-Film "The Kiss of Judas".

Weiterer Festivalbericht: Elizabeth Helfgott stellt einige Filme der "New Directors/New Films"-Reihe in New York vor, lobt besonders den Film "Starke Schultern" der Schweizerin Ursula Meier und Eugène Greens "completely unclassifiable" "Le Monde vivant", das Debüt des vom Theater kommenden Regisseurs, einer Geschichte nach Motiven von Chrestien de Troyes mittelalterlichen Romanen. In der Rubrik "Distributor Wanted" (das entspricht unserer Rubrik "Der unsichtbare Film" - in der "Le Monde vivant" auch seit längerem geführt wird) stellt Amy Taubin den Film etwas ausführlicher vor:

And while Green's blend of pared-down realism and dream-like displacements recall at moments both Bresson and Cocteau, the director he is closest to is Rivette. Like Rivette's best Films, Le Monde vivant suggests a parallel universe where the magical and the mundane cohabit effortlessly and with abandon.

Das eigentliche Zentrum des Hefts aber ist eine ausführliche, umfassende, großartige Werkschau des in den USA nach wie vor wohl kaum bekannten Maurice Pialat. In Zusammenarbeit mit Les Incrockuptibles - das große Werkstattgespräch mit Pialat, das im März 2004 dort erschien, wird übersetzt abgedruckt - und den Cahiers du Cinema (Texte u.a. von Cahiers-Chefredakteur Jean-Michel Frodon) hat der Film Comment ein Dossier mit meist exzellenten Texten zu jedem einzelnen der Filme Pialats zusammengestellt. (Hier der Hinweis auf das bescheidenere Jump-Cut-Dossier zu Pialat.) Im Interview erfahren wir, dass Pialat das Kino für seine Tricks verachtet, die Nouvelle Vague dafür, dass es ihr nicht Ernst genug war (Ausnahme: Godard), er spricht über seinen Ruf als schwieriger Mensch, über die Defizite seiner einzelnen Filme. Und über das Kino allgemein:

It's a shame that [the cinema]'s primarily come to mean huge commercial films, but at the same time, there are certain things that only film can express, and without film, these ideas would disappear, pure and simple. Those who can work outside the system, supposing that they exist, could make movies that really mean something, except that they don't have the means. They can't produce anything but great little experimental shorts, that's the best they can do under such poor conditions. It's not possible to build a Boeing jet in the garden shed out back.

Nur online: Die ausführlichere Version eines Textes von Jean-Pierre Gorin über Pialats Debüt-Spielfilm "L'Enfance Nue".

Wie stets ist es damit längst nicht genug. Es gibt wunderbare Artikel über die restaurierte Fassung von Sam Fullers "The Big Red One", einen Bericht über Mike Hodges' neuen Film "I'll Sleep When I'm Dead" unter Berücksichtigung seines Gesamtwerks und eine sehr ausführliche Würdigung des politische engagierten Dokumentarfilmers Peter Watkins. Besprochen werden unter anderem Lars von Triers "The Five Obstructions" und Roger Michells "The Mother" (s. unsere Kritik). Das "Movie of the Moment" ist "Before Sunset" und etwas erstaunt besprochen wird der von Jeffrey Shaw und Peter Weibel herausgegebene Band über Guy Debord: "Future Cinema: The Cinematic Imaginary After Film" - der erste Satz: "Anyone who takes Guy Debord for a humorist will find FC tough going".

Shrek 2 - Filmkritik bei infocomma.de

Matthias Huber hat den Animationsfilm der kommenden Saison vorab gesehen und zeigt sich in seiner Besprechung für den Nachrichtenverbund infocomma.de vor allem von dessen klugen Vorgehensweise überaus angetan:

"Erstarrung in Genre-Konventionen, das scheint "Shrek 2" der Konkurrenz vorwerfen zu wollen, den Verzicht auf jegliches Überraschungsmoment innerhalb dieser viel zu fest gesteckten Grenzen. Eine Parodie also. Aber richtet sich eine Parodie nicht erfahrungsgemäß eher an eine kleinere Zielgruppe als die Vorlage, anstatt diese zu erweitern? Wenn aber konsequent jedes Prinzip des zugrunde liegenden (Sub-)Genres auf den Kopf gestellt wird, und ein Film in erster Linie dadurch seinen Reiz beziehen will, gehört er dann noch zu dieser Gattung?"

Shrek 2 beginge diese "Gratwanderung", sei "sehr viel ausgefuchster als sein Vorgänger", vor allem aber der " kleine Tropfen Gift", der im Blockbuster-Kino dringend nötig ist.

6/20/2004

Hors Champ

Ein langes Gespräch mit Abbas Kiarostami, das zwar aus dem Jahr 2000 stammt, aber - wie versichert wird - seitdem nicht veröffentlicht wurde, findet sich in der neuen Ausgabe des kanadischen Magazins "Hors Champ". In der gleichen Ausgabe: Texte über "Dogville", die Filme von Bill Morrison und "Uzak" (Distant) des türkischen Regisseurs N.B. Ceylan.