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October 14, 2006

Ce ne peut être que la fin du monde, en avançant

Am besten an Kalifornien ist das kalifornische Licht, das unabhängig vom Wetter (das zur Zeit meines Besuchs entgegen der Mär vom sunny California fast durchgängig kühl und regnerisch war) zu allen Tageszeiten von allen Seiten zu kommen scheint, sozusagen natürliches Filmstudiolicht. Die Höhepunkte der Reise waren entsprechend Beleuchtungsphänomene oder zumindest mit Beleuchtungsphänomenen assoziiert, z. B. unter dunklem Himmel das durchbrechende Licht auf der Vegetation, die auf den Ruinen unter Alcatraz wächst, oder der kalifornischste Moment der Reise: Zur blauen Stunde in Los Angeles stelle ich fest, daß der Amok/Koma Bookstore erstens umzieht und zweitens geschlossen hat, und trotte wieder Richtung Stadtzentrum. Der Himmel ist an den Rändern noch rötlich, das Wetter regnerisch. Das aus Funk und Fernsehen bekannte Licht schwindet langsam, in der Dämmerung wirkt die Stadt (auch wenn's spätestens seit Mike Davis ein Klischee sein mag, das zu sagen) seltsam irreal, der gemeinsame Nenner zwischen der Fußgängerzone von Castrop-Rauxel und dem L. A. von "Blade Runner". Auf dem zentralen, recht leeren öffentlichen Platz im für die Größe der Stadt sehr kleinen Downtown hat sich ein Landschaftsarchitekt ausgetobt: Auf Terassen hat er breite, dekorative Hollein-Wände in blau und quietschgelb aufgestellt (überhaupt sieht man in der Stadt viel von dieser Blau-Gelb-Kombination, an der Küste hatte man z. B. - anscheinend zu Zwecken der Schädlingsbekämpfung - einen ganzen Wohnblock in eine große blau-gelbe Plane eingepackt, das Gebäude wirkte wie ein riesiges Hüpfzelt), dahinter Palmen auf kleinen Hügeln in Reihen, dahinter ragen dann die illuminierten, halbrunden oder oktogonalen, ineinandergestuften und -gefächerten Hochhausformen, mit wesentlich mehr Art Deco als in New York - jedes Hausdach scheint hier eine Krone zu tragen zu müssen. Der Autolärm aus allen Richtungen sehr laut und tief, Polizei und/oder Feuerwehr scheinen ständig irgendwo im Einsatz zu sein. Aber trotz des Lärms und der immensen Größe der Stadt, wirkt alles seltsam provinziell und kleinteilig, nicht miteinander verbunden, "the big nowhere" wie Ellroy sagt; als wäre die ganze Stadt restlos parzelliert und privatisiert worden. Dafür spricht auch die massive Präsenz von Scientology, der privatisiertesten aller Religionen; an jeder Ecke kann man ihre Niederlassungen finden. (Die Freimaurer waren auch mal da, aber ihre Loge am Hollywood Boulevard ist jetzt ein Theater für Standup-Comedy, was sagt uns das?) Ein paar Blocks nördlich des Platzes die fensterlosen städtischen Verwaltungsgebäude, die wie Festungen aussehen und vor denen unprofessionell wirkende Models für unprofessionell wirkende Photographen posieren und sich dabei die Schulter verrenken.

Noch eine Assoziation, die ich im Staate hatte: Nicht nur Downtown L. A., sondern ganz allgemein diese Mischung von Vorstädtischem und Megalomanischem scheint mir einen ganz entscheidenden Einfluß auf fast alle amerikanischen Science-Fiction-Filme gehabt zu haben. Das Weltall wird logisch konzipiert als ein unendliches Suburbia ohne Downtown. Mir fallen als leuchtende Vorbilder spontan der New Jersey Turnpike ein, der Hafen von Oakland mit seinen riesigen Kränen, die angeblich die Vorbilder für irgendwelche Wesen in "Star Wars" waren, außerdem der Vergnügungspark "Six Flags Magic Mountain", den ich in der Morgendämmerung bei der Fahrt mit dem Greyhound nach Los Angeles von fern gesehen habe, große bunte Stangen auf einem Berg, die wie die Reste eines Picknicks Außerirdischer wirkten.

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