| Der Beginn zeigt die Errichtung des Raums und das Hantieren
	      mit den Bunraku-Puppen. Ein Stück wird gespielt werden, die Kamera bewegt
	      sich neugierig, das Geschehen suchend, registrierend, durch die Welt, die
	      ersteht, ein visuelles Gegenstück zum Stimmen der Instrumente vor dem
	      Beginn des Konzerts. Dann aber erfolgt ein Schnitt hinaus  und in diesem
	      Hinaus erst eröffnet der Film sich die Differenz zwischen Innen und
	      Außen. Unter einer Brücke liegen wie tot zwei menschliche Figuren
	      (der Titel suggeriert: eine Antizipation des Endes). Keine Puppen. Mit diesem
	      doppelten Schnitt: nach draußen, von der Puppe zum (toten) Menschen
	      zerreißt der Raum der Repräsentation, kaum ist er etabliert. 
	      Es ist nicht der neue Raum  draußen, Menschen -, der sich
	      stabilisiert, sondern dieser Riss. Man wird also nicht einfach vom Übergang
	      von Stilisierung zu Realismus sprechen können. Der scheinbar realistische
	      Blick hinter die Kulissen einer Bunraku-Aufführung wird abgelöst
	      von der stilisierten Darstellung einer abstrakten Inszenierung realer Darsteller.
	      Koharu, die Kurtisane, und Jihei, der Freier, der sie liebt und freizukaufen
	      neunzehnmal versprochen hat, begegnen einander in Kleidern aus schwarzen
	      und weißen Mustern auf einem schwarzen und weißen Grund. Auf
	      der Bühne scheinen sie mit dem Bühnenbild zu verschmelzen. Als
	      Begrenzung des Raums dominieren Gitter aus Holz, durch die wir immer wieder
	      blicken, Innenräume werden von außen sichtbar, von Spalt zu Spalt,
	      der Trennraum ist im Zug der Trennung auch transparent.
	       
	      Weitere, atemberaubende Verschränkungen. Die Wände zum einen Teil
	      Gitter, zum anderen  wie auch die Böden - im Stil expressiver
	      Abstraktion schwarz und weiß gemustert, zwischen Schrift und ihrer
	      Explosion, stillgestellte Dynamik. Streng gekleidet, streng frisiert, strenge
	      Herrscher über ihre Gesten die Figuren. Zwischen ihnen aber, kauernd,
	      sich zusammenrottend, abwartend, behende, aber still, aus der abwartenden
	      Erstarrung sich lösend, andere Figuren, schwarz gekleidet, die Gesichter
	      hinter schwarzer Gaze, unter spitz zulaufenden Kapuzen. Unheimliche Gestalten.
	      Es sind die Puppenspieler. Als zwischen Präsenz und Absenz, zwischen
	      Repräsentation und Kulissenpersonal schwankende Figuren bleiben sie
	      auf der Bühne, werden tätig in Handreichungen, ohne den
	      Repräsentationsraum zu betreten. Die Darsteller sind die Puppen, die
	      sich von ihren Spielern gelöst haben, aber nicht ganz. Die schwarzen
	      Gestalten sind Markierung und Rest des Risses, in dem der Film sich einrichtet,
	      in dem er das Bunraku-Stück um Liebe und Ehre und Selbstaufgabe und
	      gesellschaftliche Zwänge ansiedelt.
	       
	      Der Riss  zwischen Innen und Außen, zwischen stilisiertem Puppenspiel
	      und abstraktem Realismus  stabilisiert sich nicht endgültig. Die
	      schwarzen Gestalten fallen heraus, weil sie zwischen den Räumen und
	      Ebenen der Repräsentation schillern. Zudem geraten Außenräume
	      ins Bild, kein bisschen realer als die Bühnenräume. Abstrakte Muster
	      von Dachziegeln, Wänden, Höfen verschalte Natur und
	      Künstlichkeit. Einmal ein Rennen hinaus auf die Straße, die
	      Kapuzengestalten eilen hinterher, die Kamera verharrt. Dann rennen die schwarzen
	      Gestalten, die unheimlichen, ihrer eigentlichen Tätigkeit beraubten
	      Puppenspieler zurück, auf die Kamera zu, füllen das Bild, bis es
	      gänzlich schwarz ist: Löschung der Repräsentation. Von dieser
	      Löschung bleibt der nie endgültig stabilisierte Raum immerzu bedroht.
	       
	      Keine Szene bleibt von diesen Löschungsfiguren unbeobachtet, auch nicht
	      der letzte Liebesakt auf dem Friedhof. Ein Kapuzenmann drückt Jihei
	      das Schwert in die Hand, mit dem er Koharu töten wird. Das Blut auf
	      ihrem Gesicht erinnert an die schwarzen Spritzer auf den Wänden der
	      Bühne; Annäherung an die Abstraktion. Jihei selbst winden die schwarzen
	      Männer die Schlinge um den Hals, knüpfen ihn auf. Man sieht in
	      den Close Ups das Leuchten ihrer Augen, als wären sie Raubtiere,
	      verstoßen aus ihrem Repräsentationsraum, versessen auf Rache in
	      jeder unterwürfigen Geste ihrer Hilfstätigkeit. Es sind so die
	      Reste und Markierungen des Puppenspiels, die den anderen Raum, den der Film
	      als abstrakt realen etabliert, wieder löschen. Ein endgültiger
	      Sieg ist es nicht: die Puppen des Beginns kehren nicht zurück. Aber,
	      immerhin, zuletzt, als Ende, nach dem Tod: die Schwarzblende. Und auch, zuvor:
	      die schwarzen Zähne Osans, der Frau von Jihei, die am Selbstmord der
	      Kurtisane nicht schuld sein will, und so den Doppelselbstmord herbeiführt.
	       
	      Die Kamera sorgt dafür, dass aus dem sich nicht stabilisierenden
	      Zwischenraum aus Puppenspiel und illusionierender Theaterdarstellung etwas
	      anderes entspringt. Es gibt kein Publikum  und auch die Kamera ist
	      es nicht. Es gibt keine vierte Wand, weil es überhaupt keine Wände
	      gibt, die den Darstellungsraum versiegeln. Die Kamera bewegt sich, als eigener
	      Akteur, als der Akteur nämlich, der Sichtbarkeit und Repräsentation
	      überhaupt erst gibt, durch die Szenerie, diese mit jedem Zug in Szene
	      setzend. Sie ist der Widerpart der schwarzen Gestalten. Sie schafft, was
	      diese löschen wollen, sie ist der Wille zur Darstellbarkeit. Wie im
	      Schock gefriert das Bild, als einmal Jihei sich daran macht, den Raum, den
	      sie schafft, in rasender Wut einzureißen. Die gefallenen
	      Bühnenbilder, ihres Illusionscharakters endgültig beraubt, werden
	      von den Löschungsfiguren hinausgetragen; das Bild der Kamera aber hat
	      da seine Beweglichkeit wiedergefunden.
	       
	      Und doch spielen  als gäbe es einen Gott, der die Notwendigkeit
	      von gleichzeitiger Schaffung und Löschung noch einmal inszeniert 
	      beide zusammen, die Schwarzen und die Kamera. Wir sehen, wie ein schwarzer
	      Mann im Bühnenraum geräuschlos eine Laterne auf den Boden stellt.
	      Diese nimmt die Kamera groß in den Blick. Sie fährt etwas
	      zurück, ins Bild kommen die Köpfe der schlafenden Kinder von Jihei
	      und Osan. Die Kamera fährt nach links und ins Bild kommt Osan, ihr Gesicht,
	      den Kindern zugeneigt. So ist die Schöpfung des Raums im Zusammenspiel
	      von Löschungsfiguren und Kamera beschaffen, das Ineinander von Licht
	      und Bildgebung, geräuschloser Bewegung der Hilfsfiguren und Ins-Bild-Kommen
	      der Figuren, die dann den Text des alten Puppenstücks sprechen. Gesprochen
	      von diesem Stück, aber nicht mehr gespielt von ihren Spielern.
	       
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