| Erst spricht, über mittelalterliche Dächer ragend,
	      Indien. Die allegorisch donnernde Art, mit der hier die Geschichte als
	      Erzählung einer Legende auftritt, hat kein fundamentum in re der Chroniken,
	      aber das tut nur soviel zur Sache, dass es schon passt. Die Legende freilich
	      vom großen Mogul und Anarkali, der Frau, die nicht Königin werden
	      darf, die gibt es  und Karim Asif, der sie in diesem alle finanziellen
	      Dimensionen sprengenden Film ein weiteres Mal mit dem Gestus des Definitiven
	      erzählt, er hat das Ende verändert, man wird nicht sagen können
	      zum Besseren. Da mag Indien zuletzt noch so dröhnend als Fürsprecher
	      des Legendenfrevels auftreten. Ein rechtes Melodram geht so nicht aus. 
	      Etwas ungelenk, weil von der eigentlichen Geschichte, auf die er sich dann
	      bald doch konzentriert, ein wenig ablenkend, beginnt mit der Vorgeschichte
	      um den Kronprinzen Salim der Film. Dann aber stürzt er sich ins Abenteuer
	      eines Kinos der Fülle, das man so radikal umgesetzt kaum ein zweites
	      Mal zu sehen bekommt. Die Enge des Raums  von wenigen Schlachten abgesehen,
	      die jedoch auch auf eher eng kadrierten und so heftig dynamisierten Feldern
	      stattfinden  drängt das Volle noch voller zusammen. Alles ist
	      Ornat und Ornat wird so Substanz. Das findet seinen Höhepunkt in der
	      atemberaubend verspiegelten ursprünglichen Farbszene zum Ende des ersten
	      Teils  und seinen Widerspruch in der Massenszenerie von Salims Hinrichtung,
	      mitsamt dem wuchtig-traurigen "Zindabad, Zindabad"-Song. Hier drängt
	      die Fülle ins Epische, sonst aber ins Innere einer verbotenen Liebe,
	      deren Inneres aber in aller Konsequenz nach außen gewendet wird.
	       
	      Lesbar, spürbar, sichtbar macht Karim Asif diese Liebe in
	      Großaufnahmen, vor allem von Madhubalas Gesicht, die man zu den
	      großartigsten Affektbildern der Filmgeschichte zählen darf. Die
	      Leinwand wird Gesicht, das Gesicht wird Leinwand, und wenn Salim dies Gesicht
	      zart mit einer Feder streichelnd berührt, dann berührt der Film
	      streichelnd und doch auch überwältigend das Herz des Betrachters.
	      Ein überwältigendes Streicheln: Affekt in der Fülle. Sonst
	      überwiegt in der Überwältigungsrhetorik des Films die Sprache
	      der Pracht. Das Glitzern der Diamanten, das Streuen der Perlen, Säulen,
	      Gärten, Wasser, Vorhänge, das Licht. Abrupt, vom Sturz aus der
	      Fülle in die Fülle, die Übergänge, als sammelte sich
	      über den Brüchen, die die melodramatischen Aufwallungen verbinden,
	      stets neue Kraft.
	       
	      Fülle keineswegs nur im Bild. An Metaphern und Wortspielen und glitzernden
	      rhetorischen Argumenten um Blüten und Dornen und an mehr als Fragmenten
	      einer poetischen Sprache der Liebe reich sind die Dialoge, die sich zum eigenen
	      Strom formen, blitzende Sprach- und Gedankenmusik, die mit den Strömen
	      der Musik und des Gesanges immer wieder zusammenfließt. Das Strömen
	      endet nie, in "Mughal-e-Azam", irgendetwas strömt immer und in dieser
	      Häufung der Fülle kommt man mit dem Gefühl oft kaum nach.
	      Im Ansturm der Bilder und Worte und Klänge wird das Herz so windelweich
	      geprügelt, dass es wie betäubt sich nach Ruhe sehnt. Allein, es
	      gibt keinen leeren frame in diesem Film, noch das flüsternde Kitzeln
	      des Gesichts mit der Feder rauscht wie Meeresbrandung übers Gemüt.
	       
	      Die zur Farbe weniger re- als instaurierte Fassung, die ich gesehen habe,
	      erschöpft gewiss noch einmal mehr. Der vielfach beschriebene Effekt
	      des Falls in den Rausch der Farbe in Anarkalis Spiegeltanz vor der Pause
	      bleibt naturgemäß aus. Beim Schichten von Brocken auf Brocken
	      gerät die Geschichte der Liebe, die Geschichte des einen, nur menschlichen
	      Körpers, der zwischen den zwei Körpern des Königs, des Kronprinzen
	      und der Mutter zerrieben wird, rasch aus der Balance. Unter der manifesten
	      Wucht seiner Inszenierung bricht der Plot immer wieder in sich zusammen,
	      vergisst sich im Wettstreit des Liebesgesangs, im Donnern des Vaters, im
	      Blitzen der Diamanten. "Mughal-e-Azam" zerfällt und richtet sich wieder
	      auf, splittert auf in funkelnde Einzelteile und tönerne Wucht, strömt
	      und erstarrt, verliert sich in der Fülle des Stillstands, gewinnt dann
	      wieder Kraft und Gewalt aus dem Gesicht von Madhubala oder dem kurzen Innehalten
	      der Musik. Dieser Film ist ein heiliges Monster. Nicht das, was man ein
	      Meisterwerk nennt, aber ein Ding wie kein anderes.
	       
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