Jump Cut Kritik

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Robert Aldrich: Rattennest (USA 1955)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Eine Straße, die nackten Füße einer rennenden Frau, Schnitt auf die Frau, bekleidet nur mit einem Trenchcoat, wieder Schnitt auf die Straße, die Füße, den Mittelstreifen. Eine Begegnung, die sie erzwingt, indem sie sich einem Auto entgegenstellt. So kann eine Geschichte beginnen, von Sex und Crime. Der Mann, dem sie begegnet, ist Mike Hammer, Mickey Spillanes alles andere als sympathischer Detektiv. Seine Fehler spuckt ihm die Frau, deren Leben er beinahe rettet, sogleich ins Gesicht: seine Muskeln deuten auf Selbstverliebtheit. Als sie stirbt und er fast mit ihr, muss er dann aber doch alles wissen: Wer sie getötet hat und warum.

Daraus entwickelt sich eine alles andere als einfache Geschichte, labyrinthisch in jeder Hinsicht, voller Dunkelmänner und schräger Kameraperspektiven. Mike Hammer gerät zwischen die Fronten, deren Verläufe unklar bleiben, ist immer mittendrin, mehr als eine Frau bemüht sich um ihn, er bemüht sich um nichts. Es ist, als fehlte alle Haftung zu Personen oder Ereignissen, die Stelle, an der die Fäden des Plots zusammen laufen müssten, also die Stelle des Protagonisten, des Ermittlers, bleibt seltsam leer. Kein Wunder, dass der Film aufs Spillanes Romane dominierende "Ich" verzichtet. Der Held von "Rattennest" ist ein Agent ohne Affiliationen: an Personen und das, was geschieht. Was er sucht, wüsste man nicht zu sagen. Die Wahrheit, Gerechtigkeit: lächerlich.

Was er findet, ist umso erstaunlicher und spätestens hier, wenn die Frau, die nicht die ist, die sie schien, den Koffer, um den sich alles gedreht haben wird, öffnet, wird klar, dass der Film nichts mit einer straight erzählten Hardboiled-Geschichte zu tun haben will, sondern mit ihrer Dekonstruktion. Alles ist da, was man braucht, aber nichts funktioniert wie gewohnt. Nicht der Held, nicht der MacGuffin, nicht die Beziehungen zu den Frauen, auch nicht die Auflösung. Ja, der Film hat sogar zwei Enden: lange existierte nur das ambivalente, das das Überleben Hammers fraglich ließ, später fand man eine Flucht ins Meer, in den Armen der Frau. So wie so: "Rattennest" ist das fehlende Bindeglied zwischen dem Film Noir und der Nouvelle Vague.

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