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John Ford: The Iron Horse (USA 1924)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Akkurat bis ins Detail folgt "The Iron Horse" der Geschichte der Transcontinental Railroad. Sagt eine der nicht wenigen Tafeln, diese gleich zu Beginn, auf denen Sachinformation präsentiert wird. Die individuelle Geschichte, die der großen Historie sehr umstandslos als paralleler Strang beigegeben ist, entfaltet sich aus einer eher beiläufigen Urszene. In einem Dorf treffen drei Männer, der Sohn des einen, die Tochter des anderen, aufeinander. Der eine, Brandon, träumt von der Bahn, die Amerika den Fortschritt erschließt. Der andere, Marsh, spottet über die Träumerei. Der dritte ist Abraham Lincoln. Der Träumer wird sterben, wenig später, von der Hand eines Weißen unter Indianern, der später als wichtiger Feind der Bahn auftritt. Sein Sohn Davy jedoch erreicht das Gelobte Land. Der Spötter wird zum Leiter der Eisenbahngesellschaft. Seine Tochter Miriam hat sich später für den lange verschwundenen Davy zu entscheiden. Abraham Lincoln unterschreibt gegen heftigen Widerstand den Vertrag zur Erschließung des Westens mit der Eisenbahn.

Der Plot, die Bahn kommen auf recht gerader Linie voran. Der Konflikt der Konkurrenten um die Liebe Miriams kulminiert an einem Pass durch die Berge, an dem der Schurke des Stücks (Deroux, der einstige Indianer und jetzige Landbesitzer) kein Interesse hat. Als sein Handlanger kommt der Ingenieur, dem Miriam versprochen ist, zu Fall. Ein Kampf Mann gegen Mann im Saloon, der auch das Gericht ist (a bar of liquor and justice), entscheidet alles. Für weiteres ist Raum im episch angelegten Film: attackierende Indianer, eine den Menschen zugetriebene Rinderherde, komische ältere Herren, Italiener als Söldner, eine Stadt, die sich auflöst, eine Stadt, die entsteht mit der Verschiebung des "end of track". Die Bahn ist die Sonde der Zivilisation, an sie angelagert ist menschliches Leben in all seinen Spielarten.

"The Iron Horse" ist ein Lehrfilm, nicht so sehr in der akkuraten Darstellung geschichtlicher Vorgänge, vielmehr ein Lehrstück über Dynamik. Sehr genau weiß John Ford in seinem fünfzigsten Film, was an welche Stelle gehört. Schnell setzt er nach eher behäbig historiografischem Tafelbeginn seinen Film unter Dampf und lenkt fortan die verschiedenen Haupt- und Nebenströme von Action und comic relief, von Romanze und zwischenmenschlichen Begebnissen anderer Art durch die kommunizierenden Röhren seiner ratternden Filmmaschine. Am Ende wird ein goldener Nagel in die Bohlen gehämmert, nach vorne gehen Davy und Miriam aus dem Bild, besiegeln im Privaten den Zusammenschluss der Stränge des Ostens und des Westens. Auch hier stellt John Ford die Verhältnisse klar: Das Individuum, das Geschichte macht, ist Abraham Lincoln. Die anderen werden in Plots verwickelt, das ergibt den Spielfilm. Die Figuren haben eine Funktion, die des Helden, die der Heldin, die füllen sie aus. Natürlich steckt darin auch eine Theorie der Gesellschaft.

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