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Monte Hellman: Two-Lane Blacktop (USA 1971)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Monte Hellmans Film "Two-Lane Blacktop" hat so wenig ein Zentrum wie er im eigentlichen Sinne einen Plot hat. Er fängt einfach an, mit einem der Dragster-Rennen, an denen er so gar kein sportives Interesse hat, und er hört einfach auf, das aber mit einem spektakulären Moment der Setzung eines Endes. Dazwischen liegt ein Road-Movie. Es gibt Figuren, Begegnungen, keine Namen. Der Fahrer, der Mechaniker, das Mädchen, GTO. GTO ist Warren Oates, der sich auf ein Wettrennen einlässt mit den beiden anderen, von West nach Ost, das Ziel ist die Hauptstadt, dass es nie erreicht wird, versteht sich von selbst. Kleine Quasi-Geschichten werden als Beifahrer am Wegesrand aufgelesen, verlieren sich genau dort auch wieder. So etwa gelangt das Mädchen ohne jede Erläuterung an die jungen Männer, steigt dann am Ende zu einem anderen jungen Mann, erleichtert ums Reisegepäck aufs Motorrad, so steigt ein Mann mit Hut in den GTO und verschwindet kommentarlos wieder am Straßenrand.

Ein Film über Amerika, die Landschaften wechseln, aber es gibt keine Großstädte in Two-Lane Blacktop. Die Verlorenheit der Figuren hat mit der Weite zu tun, die aber das Gegenteil von Offenheit scheint: die Orte, die Räume, die Diner, die Tankstellen wechseln, aber die Situation bleibt immer die gleiche. Es gibt nur einen Zustand, das wird mehrfach, halb ironisch, formuliert: "passing through". Nichts weiter gibt es zu erfahren über die Figuren; Warren Oates erzählt seinen Beifahrern immer absurdere Motive für seine Fahrt, eine Biografie ergibt das nicht. Der Zustand des "Passing Through" ist zugleich seltsam vorsozial: Erfahrung, die zur Geschichte werden könnte, findet nicht statt. Aus der Begegnung folgt nichts, das Mädchen wechselt die Autos und die Fahrer, eine Annäherung bedeutet das nicht, mehr als Sex, von dem nicht mehr die Rede sein, von dem keine Spur bleiben wird, gibt es nicht. So ist, neben dem Totalausfall von Vergangenheit, auch jede mögliche Zukunft nur scheinhaft, das telos der Rennfahrt, die immer wieder darauf hinausläuft, dass man sich, als das, was man hat, doch nicht aus dem Blick verlieren, mögliche Vorteile nicht nutzen will, ist nicht mehr als ein schlechter Witz.

All das klingt vage nach Existentialismus, nach Camus vielleicht, nach Beckett sogar, Deutungen oder Sinnrichtungsangaben irgendeiner Art aber forciert der Film, der eher die eigene Absichtslosigkeit bekunden zu wollen scheint, nicht. Keine Gesellschaftskritik, die Ähnlichkeit mit Zabriskie Point oder Easy Rider erweist sich rasch als einigermaßen oberflächliche. Ganz stur gibt es immer wieder nur den Blick der Kamera heraus aus dem Auto, auf die Straße, das Geräusch der Motoren. Das nächste Dragster-Rennen. Der nächste Diner. Episoden, die auf keinen Zusammenhang aus sind. Ausfall aller Dramatik: ausdruckslos die Gesichter. Ein Projekt, halbherzig: dem Mädchen das Autofahren beibringen, ein kurzer Moment der Irritation. Daraus wird nichts, das zeigt sich schnell. Die Geschichte um drei Männer und eine Frau, deren Scheinhaftigkeit eigentlich immer klar war, da ja nicht einmal die Notwendigkeit bestand, den Figuren Eigennamen zu geben, löst sich, ganz sprachlos, ganz wie von selbst wieder auf. Es könnte ewig so weiter gehen. Oder es hört dann einfach auf. Hellmann zeigt den vertrauten Blick aus dem Auto. Er verlangsamt das Bild, die Haare von James Taylor in Zeitlupe. Dann, im Moment, in dem alles stillzustehen scheint, in dem die Kraft verbraucht ist, die Kraft des Weiterfahrens, des Weitererzählens, löst sich die Repräsentation endgültig in Nichts auf: das Autodafé eines Films, das Zelluloid schmilzt.

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