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Berlinale 2006

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Ashim Ahluwalia: John and Jane (Indien 2006)

Von Ekkehard Knörer

Die ersten Bilder zeigen, in rascher, verschwommener Handkamera-Fahrt New York, Times Square und 42nd Street, die USA am Ort, an dem sie dem Klischee zum Verwechseln ähnlich sehen. Der Rest spielt in Indien, Bombay und folgt sechs jungen Leuten, die in einem Call-Center arbeiten und am Telefon so tun, als seien sie nirgendwo anders als in den USA. 4th dimension ist der Name der amerikanischen Firma, die die Heimat auf Stockwerke verteilt hat, so dass man im New-York-Großraumbüro oder New Jersey arbeitet. Oder in Texas, der Job ist nicht ohne, I hardly ever call anyone erfährt die Inderin, die einen long distance service verkaufen soll.

Den Erwartungen an einen Dokumentarfilm versperrt sich „John & Jane“ auf keineswegs eindeutige Weise. Nichts ist, wenn man den Regisseur recht versteht, im strengen Sinn Fiktion. Dennoch wirken viele der Szenen inszeniert, einer der Jobber im Gespräch mit der Mutter, nur zum Beispiel. Arrangiert sind die Sequenzen und Figuren in aufsteigender Begeisterungslinie. Es endet mit einer Frau, die blondiert ist und dreimal hintereinander betont, dass sie natürlich blond sei. Eine Theorie zur Seelenverwandtschaft mit natürlich Blonden hat sie auch. Viel Spaß dann bei der Suche nach einem Mann in Bombay.

Regisseur Ashim Ahluwalia rückt seinen Figuren auf den Leib, aber nicht zu sehr. Manchmal entfernt er sich weit, zeigt Zeitraffer von Straßenverkehr in Bombay und Häuserarchitektur, die man eher in den USA verorten würde, wenn überhaupt. Genaue Verortung ist denn auch gerade nicht, worauf Ahluwalia hinaus will. Sehr viel eher will er etwas darstellen wie das vage Phantasma USA, reduziert auf Werte, die im VHS-Kurs Amerika als ohne weiteres aufzählbar behandelt werden. Amerikaner wollen Erfolg, sie schätzen Individualität, sie bestellen Waren im Katalog und die amerikanische Flagge ist omnipräsent.

Manch einer gerät ins Träumen und verehrt Elvis und Engelbert (sic!) als Milliardäre. Er möchte ein Haus, ein Auto, er wäre von Herzen gern das, was er für einen Amerikaner hält. Reich natürlich vor allem. Der phantasmatische Raum bleibt diffus und Ahluwalia macht keine Anstalten, den Träumen, dem Hass auf den Job, den Verkennungen und Erkenntnissen eine ausformulierte These entgegenzuhalten. Anderes schon: elektronische Musik, die die Entortung und Virtualisierung unterstreicht. Blicke auf Korridore, Blicke auf Architektur, die dem Indien-Klischee widerstehen. Dem verrückten Ort, heartland USA mitten in Bombay, kommt er so durchaus nahe.

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