Michael Töteberg: Rainer Werner Fassbinder

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Michael Töteberg: Rainer Werner Fassbinder

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Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck 2002.
158 Seiten, 8,50 EUR.
ISBN 3-499-50458-8

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Der Regisseur frisst seine Kinder...
... und sie fressen ihn: Rainer Werner Fassbinder im Portrait

Von Torsten Gellner

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Das Außergewöhnliche am Werk Rainer Werner Fassbinders ist sicherlich sein im Verhältnis zur Entstehungsdauer geradezu gigantischer Umfang. In knapp 13 Jahren drehte der Regiseur, neben seiner Theaterarbeit und Schauspielerei, über 40 abendfüllende Spielfilme, noch dazu nicht gerade die schlechtesten. Bei diesem hohen Produktionspensum von durchschnittlich drei Filmen pro Jahr kann man von einer vollständigen physischen Veräußerung, ja von Selbstzerstörung sprechen, die im frühen Tod des Regisseurs ihre vielleicht logische Konsequenz gefunden hat. Fassbinders zuweilen radikaler Subjektivismus und die Spuren stets latent vorhandener oder offen zutage tretender Selbstbespiegelung im filmischen Werk schlugen sich nicht nur nieder im persönlichen Bekenntnisfilm sondern auch in der Verarbeitung historischer oder literarischer Sujets. Das ist etwa eine Konstante, die man in Fassbinders heterogenem Œuvre ausmachen kann. Die Filmographie lässt die Konstruktion einer linearen „Entwicklung“ nicht so einfach zu: auf die Selbstreflexion „Warnung vor einer heiligen Nutte“ (1970) folgt das Volksstück „Pioniere in Ingolstadt“ (1970), auf den Publikumserfolg „Die Ehe der Maria Braun“ (1978) folgt das Transsexuellen-Melodram „In einem Jahr mit 13 Monden“ (1978), auf das UFA-Star-Drama „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (1982) folgt als sein letzter Film die surreale Genet-Verfilmung „Querelle“ (1982).

Der Filmjournalist Michael Töteberg hat Leben und Werk Rainer Werner Fassbinders für die Reihe „Rowohlt Monographie“ dargestellt. Besonders erfreulich an diesem, wie alle Bände der verdienstvollen Reihe zwar knappen, aber keineswegs verkürzenden Portrait ist Tötebergs Gewichtung des Fassbinder‘schen Werkes und nicht des skandalträchtigen Privatlebens. Natürlich findet der biographische Hintergrund des Künstlers seine Berücksichtigung, aber eben nur da, wo Persönliches untrennbar mit dem künstlerischen Ausdruck verbunden ist. Zu Fassbinders plötzlichem Tod im Alter von nur 37 Jahren genügt dem Verfasser ein Satz im nüchternen Agenturstil.

Viel eher interessiert Töteberg etwa die sich oft unter chaotischen Umständen vollziehende Realisierung der Film- und Theaterprojekte: „Trotz negativer Erfahrungen schloss er [Fassbinder] immer wieder höchst ungünstige Verträge, paktierte mit dubiosen Geschäftemachern, ließ sich auf nicht abgesicherte Projekte ein.“ Das gilt vor allem für die Filme, die er mit seiner als Alternative zur bürgerlichen Produktionsweise gedachten „antiteater“-Crew realisierte. Nur durch die Ignoranz gegenüber einer soliden Finanzierung und der rigorosen Ausbeutung des folgsamen Ensembles konnte die enorme Produktivität erreicht werden: „In einem explosionsartigen Produktionsrausch hatte Fassbinder mit der antiteater-Truppe in eineinhalb Jahren zehn Filme, zwei Hörspiele und vier Theaterstücke erarbeitet.“ Diese Arbeitsweise mündete im Debakel um den misslungenen, auf Pump gedrehten Film „Withy“ (1970), der gar nicht erst den Weg in die Kinos fand. Als Schlussstrich und Reflexion dieser Phase steht schließlich die „Warnung vor einer heiligen Nutte“, in der das Scheitern des Prinzips „Chaos macht Spaß“ thematisiert wurde. „Statt offener Strukturen entstand ein System von erotischen Beziehungen und Abhängigkeiten. Statt Kreativität freizusetzen, brach sich die Lust an der Destruktion Bahn. Statt freier Menschen gebar das Experiment Monster - Vampire, die ihn aussaugen, klagt der Regisseur im Film.“

Als er dann und mit ihm der deutsche Film einen internationalen Namen hatte, kam auch das Big Budget, beispielsweise in Form der mit 13 Millionen DM unerhört teuren TV-Adaption „Berlin Alexanderplatz“ (1979/80), die das Massenpublikum durch eine unkonventionelle Fersehästhetik und den Verzicht auf eine tradierte Dramaturgie irritierte. Mit seinem letzten Film „Querelle“ sieht Töteberg den Regisseur wieder zu seinen Theateranfängen zurückgekehrt. Der „rohe süddeutsche schwule Fettkloß“ („taz“!) nimmt sich der Verfilmung eines amoralischen „Skandalromans“ an - die Finanzierung einer solchen Produktion durch Fördergremien verlief naturgemäß nicht reibungslos - und schafft in hochartifizieller Studioatmosphäre ein hermetisches Werk, das sich trotz Staraufgebot und durch den reißerischen Untertitel „Der Pakt mit dem Teufel“ nur schlecht publikumswirksam vermarkten ließ .

Der Skandal um das Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ wird von Töteberg in einem eigenen Kapitel abgehandelt. Die Geschichte des von einigen als antisemitisch verurteilten, und bis heute in Deutschland nicht, dafür aber in Tel Aviv spielbaren Stücks erinnert in ihrer Grundkonstellation an jüngste Debatten. Der Eklat um die Frankfurter Aufführung von 1985 „markiert eine Zäsur in der Kulturgeschichte der Bundesrepublik, aber auch in der Geschichte des Verhältnisses zwischen Juden und Deutschen: Erstmals hatte die Jüdische Gemeinde, die bislang unsichtbar agierte, offen für ihre Belange gekämpft und Widerstand geleistet.“

Zwei unter der Rubrik „Zeugnisse“ zu findenden Zitate prominenter Zeitgenossen Fassbinders geben Aufschluß über die ambivalente Rezeptionsmöglichkeiten seines Werks und vermitteln zugleich die Unmöglichkeit der eindeutigen Verortung eines Regisseurs, der „seinen eigenen Weg, manchmal in zwei oder drei verschiedene Richtungen zur gleichen Zeit“ ging. Botho Strauß: „Für jemanden wie Fassbinder gibt es einen intellektuellen Begriff von Kitsch nicht mehr, sein Manierismus hat nichts gemein mit dem Zitierverfahren in der Kunst der letzten Jahre.“ Dagegen Rolf Dieter Brinkmann: „Erinnere Dich an den doofen, kitschigen Film ‚Händler der vier Jahreszeiten‘, den wir da in der Universität eines Abends Marihuana rauchend gesehen haben, wie wir gelacht haben über den stumpfen feierlich mit der Kamera und den Arrangements vorgetragenen Kitsch, die dumpfe deutsche Mentalität, die daherschreitet und Bedeutsamkeiten fabriziert, wie unlebendig doch alles war, richtiger Kitsch, Loreroman, der durch Stilisierung ungeheuer lächerlich modern aufgeputzt worden war.“

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