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Mamoru Oshii: Avalon (Japan 2001)
 

Kritik von Ekkehard Knörer 

"Avalon" erschafft, in wunderbarer Unvollständigkeit, eine Welt. Und in dieser eine andere und noch eine andere. "Avalon" zieht Linien zwischen virtuellen und anderen Wirklichkeiten, aber es geht nicht um das Ziehen dieser Linien, sondern um die Wirklichkeiten in ihrer filmischen, also täuschenden Materialität. Den Augen zu greifen gegeben wird die zauberische Auflösung der Spielfigur ins Bild, das Zerscherben der Toten im Spiel. Zur Materialisierung des Virtuellen gehören das Digitale seiner Effekte, die Entfärbung des Realen, die Unbeweglichkeit der Menschen auf den retrosozialistischen Straßen Polens und vor allem das Wunder der Farbigkeit der Ebene "Special A". Das Rot, das auch nach Blut verlangt, der Gesang im Opernhaus und draußen, im Freien, das ein Freies ist und auch nicht, das Duell der Spieler um Leben, Tod und Virtualität. Und, andererseits, das Fressen, das Kotzen.

"Avalon" erzählt von einer Queste, gibt sich den Rahmen gängiger Virtualitätsszenarien und sucht doch die Stille eher als die Aktion, die Leere eher als die Fülle, das Bild eher als seine Erläuterung, die Meditation eher als den Diskurs. Transformationen, Metamorphosen, Verwandlungen, auf den Nullpunkt zu. Diese Bewegungen, ein Streben, ein Abwenden, ein Stillestehen im Staunen. Das ikonische Bild - Ash mit der Panzerfaust - nicht als allegorisch gefülltes, sondern der Riss in der Aktion. Das Einfrieren, im Bild. Die Kälte der Entfärbung. Und der Schock dann des Sturzes zurück in die Farbe. So fremd war das Vertrauteste selten, als der Ort, an den sich eine sehnt, der Ort, von dem es kein Zurück gibt und nur die Rettung ins Weiter eines letzten Bildes, in dem sich Rätsel und Erlösung, das Ende und die Fortsetzung des Spiels unentzifferbar überlagern zum digitalen Flirren eines geisterhaften Mädchens. Wie wirklich ist die Pistole in der Hand der Spielerin Ash? (Lässt sich die Frage noch stellen, an diesem Ende, nach Murphys Tod?)

Bezaubernd der Mangel an Zuviel in "Avalon". Erklärt wird nicht einmal das Nötigste, gerade dadurch entstehen hier Welten. Die Figuren, Ash zuallererst, bleiben uns und sich ein Rätsel. Die Spielerin ist eine Spielerin. Der Hund ist ein Hund. Die Schnittstelle ist eine Schnittstelle: Ob sie Teil des Systems ist oder ein Außen, macht keinen Unterschied. Nicht die Linien, die gezogen werden, interessieren den Film, sondern die Wirklichkeiten als täuschende. Vernarbungen der Dinge oder ihrer Verhältnisse zueinander: das Verharren auf dem fressenden, kauenden Mund, die Zubereitung der Hundemahlzeit. Zu den Beziehungen, in die die Dinge, die geschehen, in die die Gegenstände, die wir sehen, zu setzen wären, macht der Film keine Vorschriften. Ein wirklicher Hund wird zum Bild vom Hund, das an den Ort der Entscheidung führt, die sich im triumphalen Operngesang von Avalon wieder aufhebt, aufschiebt, geistwärts.

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