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John Simpson: Freeze Frame (GB/Irland 2004)

Kritik von Stefan Höltgen 

»Things to remember: ...«

In Zeiten wo Videototalüberwachung keine Orwell’sche Utopie mehr ist, lebt der Mensch in ein veröffentlichtes Leben, wird Privatheit zunehmend zu einer Frage des toten Winkels. Doch nicht nur die Struktur von Gesellschaft und individueller Lebenspraxis wird durch eine derartige Verwendung des Mediums beeinflusst – das Medium selbst macht eine Transformation durch: Das Videobild verliert den Duktus der Artifizalität, wird zum Beweis für die An- und Abwesenheit des Gefilmten. Was nicht im Bild ist kann – trotz der grundsätzlichen Manipulierbarkeit des Mediums – nicht als beweisbar gelten. Zwar wird Sehen und Wissen dadurch immer noch nicht gleich gesetzt, aber das „Nichtsehen“ wird auf jeden Fall zu einem wichtigen Faktor des „Nicht-wissen-könnens“.

Der Protagonist Sean Veil des britischen Kriminalfilms „Freeze Frame“ unterwirft sich selbst einer „freiwilligen“ Videoüberwachung. Grund dafür ist, dass er den Mordverdacht, unter dem er seit 10 Jahren steht, dadurch entkräften will, dass er über Filmaufnahmen von sich selbst verfügt, die jederzeit „beweisen“, wann er an welchem Ort gewesen ist falls ein Verbrechen geschieht, mit dem er in Verbindung gebracht wird. Grund für ein solches Vorgehen hat Sean genug: Ihm sind der Polizei-Detektiv Mountjoy und der Profiler Paul Sager auf den Fersen. Der eine will einen Fall, in dem eine ganze Familie nachts erschossen wurde, endlich abschließen und Sean als Hauptverdächtigen hinter Gitter bringen, der andere will seine Theorie über die psychischen Abgründe des Massenmörders verifizieren. Da er seine Überlegungen auf dem Fall Seans aufgebaut hat, benötigt auch er eine Verurteilung des Verdächtigten. In dieses Misstrauensverhältnis schaltet sich nun eine weitere Partei, die Journalistin Catie Carter, ein. Sie glaubt Sean, dass er mit den Morden nichts zu tun hat, denn sie kennt den wahren Täter. Nun versucht sie das Zutrauen des mittlerweile paranoiden Sean zu gewinnen. Doch dieser misstraut seiner Umwelt offenbar nicht zu Unrecht, wie die sich dann entwickelnden und einander überstürzenden Ereignisse darlegen. Als es zu einem neuen Mord kommt, gerät Sean sofort unter Verdacht – doch er kann nicht beweisen, dass er unschuldig ist, denn genau die Videoaufnahmen der Tatzeit sind aus einem Archiv entwedet worden.

„Freeze Frame“ ist ein äußerst kalter Film. Einen derartig unsympatischen Helden, wie den introviertierten, angsterfüllten und paranoiden Sean Veil hat man selten zu Gesicht und als Identifikationsfigur angeboten bekommen. Fast schwarz-weiß sind die Bilder des Films, immer wieder unterbrochen von den Videoaufnahmen Seans. Timecode und Schrifteinblendungen überlagern fast alle Sequenzen, die zumeist in Seans bunkerartiger Wohnung spielen. Der Plot, den Autor und Regisseur John Simpson in dieses Ambiente verlegt, steht in der Tradition klassischer britischer Kriminalgeschichten: Gezielt werden Verdachtsmomente gestreut, wieder verworfen, der Zuschauer auf eine Spur gestoßen, die sich dann jedoch als falsch herausstellt. Das Ende birgt dann eine so große Anzahl an Plot-Twists, dass der unaufmerksame Zuschauer damit fast schon überfordert werden könnte.

Und trotz dieses fast schon „Zuviels“ an Erzählung, sind es vor allem die Bilder und die Vorstellung der notwendigen Selbstentlastung des Verdächtigten durch Totalüberwachung, die den Eindruck des Films bestimmen. Die Vorstellung, das eigene Leben bis ins privateste Detail zum Gegenstand eines Videoarchivs zu machen, das jederzeit veröffentlicht werden können muss, um einen Verdacht von sich zu lenken, ist eine erschreckend Utopie. Die Evidenz, die die selbst gefilmten Bilder in „Freeze Frame“ bekommen – die Polizei erkennt sie als zweifelsfreie Belege für Schuld und Unschuld an – verdoppeln sich in der Rezeptionssituation des Films. Auch wir wollen glauben was wir sehen und zweifeln an dem, was sich in den Aufzeichnungslücken zugetragen haben soll und uns später mündlich (oder durch von Sean gefälschten Bändern) überliefert wird. Die Erinnerungslücke – vor allem im Showdown – bleibt uns so lange ein Verdachtsmoment, bis Sean doch noch eine Aufzeichnung findet, die uns zeigt, wie es „wirklich“ war. So müssen wir am Ende schließlich erkennen, dass wir die Praxis der Totalüberwachung zwar entsetzlich finden, ihr im Zweifelsfall jedoch zustimmen, um die lückenlose Wahrheit zu erfahren. Das ist das eigentlich schrecklich an der Utopie von „Freeze Frame“.

Frezze Frame
(GB/Irland 2004)
Regie: John Simpson
Länge: 99 Minuten
Verleih: Universal

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