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Mario Mentrup, Volker Sattel: Stadt des Lichts (D 2005)

Von Michael Freerix

Desperados durchstreifen schneebedeckte Landschaften. In einem Saloon entdecken sie drei Frauen. Die nehmen sie gefangen und machen sich auf einen langen Fußmarsch, der sie in die ‚Stadt des Lichts‘ bringen soll.

Ein klein wenig Western, ein klein wenig Science-fiction, ein klein wenig Dokumentarismus sind die Zutaten, aus denen sich ‚Stadt des Lichts‘ zusammensetzt. Eine Geschichte, die in der Zukunft angesiedelt ist auf Grundlage der morbiden Landschaftsidylle des gegenwärtigen Ostdeutschlands. Darin Science-fiction nicht, um sich Dinge der physikalischen Unmöglichkeit auszudenken, sondern als Fortsetzung von Statistiken, die Phänomene wie ‚Abwanderung‘ und ‚schrumpfende Städte‘ beschreiben. Was geschieht, wenn eine Sozialstruktur völlig kollabiert? Was für eine Gesellschaft entsteht aus den verbleibenden Resten der bürgerlichen Zivilgesellschaft? Was für Träume, Hoffnungen und Fantasien können die Menschen in dieser Restgesellschaft noch projektionieren?

Aus diesem Material entwickeln die Filmemacher eine beklemmende Zukunftsvision.

Der Film erfindet eine menschenleere Zwischenwelt mit der Aura eines Italo-Westerns. Landschaftsaufnahmen aus Brandenburg werden überlagert mit Bildern galoppierender Reiter und Wüstenreptilien. Mentrup und Sattel treiben ein Spiel mit der Irritation. Immer wieder spielt ihr Film ironisch auf das Western-Gengre an, verfolgt aber dessen bekannte Handlungsmuster nicht weiter. Der ‚Western‘ ist hier nur ein Traum, ein Fata Morgana oder eine psychotische Störung, der alle Mitglieder der Gruppe unterliegen. Immer wieder verläßt ‚Stadt des Lichts‘ seine Erzählebene und baut Traumgeschichten mit ein. Parallel dazu sucht der Troß nach Spuren, wo keine sind und versteckt sich vor Gefahren, die nicht existieren. Halluzination pur.

Wirklich einzigartig ist die Idee der Filmemacher, auf Dialoge und Originaltöne weitgehend zu verzichten. Statt dessen wird vollkommen auf die Wirkungskraft der Musik, die den ganzen Film untermalt, gesetzt. Da treffen einsame Westerngitarren auf überdrehte Samplingminiaturen. Die erzählerischen Lücken und Auslassungen werden mit Musik angefüllt, die Raum läßt, der emotional ausgefüllt werden kann.

‚Stadt des Lichts‘ ist eine hybride Mischung, die in keine Schublade paßt. Ein Film der sich gegen den Eventcharakter der bundesdeutschen Bilderindustrie behauptet. Und wohl auch bewußt gegen sich gemacht worden ist.

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