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Richard Shepard: Mord und Margherita (The Matador, USA 2005)

Von Ekkehard Knörer 

Man wird darüber streiten müssen, ob "The Matador" ein Abbauprodukt ist oder ein Abbauprojekt.

Zwei Referenzen ruft der Film auf, ob er will oder nicht. (Aber natürlich will er.) Die eine ist Tarantino, das hat mit seiner Machart zu tun und der Produktion durch die nun von Disney losgelöste Weinstein-Company. Die andere ist Bond, das hat mit dem Hauptdarsteller zu tun, dem nun von seiner berühmtesten Rolle freigesetzten Pierce Brosnan.

Die entscheidende Tarantino-Geste ist die des vorwegnehmenden Ersatzes eines ohne Vertun so gemeinten wie gezeigten Plots oder Gefühls durch den zitierenden Verweis auf die Zitierbarkeit bzw. Zitiertheit des Vorgeführten. Die Liebe zum eigenen Kenntnisreichtum ersetzt das Interesse an zum einen Figur und Geschehen, zum anderen aber auch an der Form, die den Zitatenschatz zusammenhält. Zwischen fremdem, angeeignetem Vorbild und eigenem, dem Status des Uneigentlichen nie entrinnendem Nachbild wird die zentrale formale Frage die nach dem Prinzip der Verknüpfung (oder Verknüpfbarkeit). Das Tarantino-Problem, die Ideologie seines Werks ist die Behauptung, das sei noch oder wieder Narration. Der Erfolg seiner Filme hängt durchaus an der Überzeugungskraft, was nur heißen kann: der falschen Evidenz, dieser Behauptung. Tarantinos Filme ufern aus in ein Meta, das in der Produktion eines anderen Anscheins gerade auf Reflexionsvermeidung hinausläuft, die narrativ-temporalen Verwringungen seiner Geschichten sind immer nur Nachtrag einer Verbindung, der deren Beliebigkeit verdeckt, aber weder narrativ noch reflexiv aufhebt. (Der Zynismus und die Gewalttätigkeit der Filme wären dann der verschobene Ausdruck der so forciert verdeckten Beliebigkeit.)

Das Prinzip Bond ist ein ganz anderes, das nämlich der schieren Serialität. Jedem Ort, jeder Bedrohung, jeder Liebe, jedem Film ist immer schon anzusehen, dass es gleich darauf mit dem Ort, der Bedrohung, der Liebe, dem Film wieder vorbei ist, um danach genau so wieder weiter zu gehen. Es ist dann nur um die Betonung es Moments, die Forcierung des Thrills, die Steigerung der Intensität zu tun. In den besten Filmen der Reihe verkörpert sich das Wissen um die Beliebigkeit des seriellen Prinzips in der souveränen desinvoltura des Helden, der "weiß", dass er nichts ist als ein Agent im Dienst der Intensität, des Thrills und der Steigerung. (Im schlechten Fall geht es um den Anachronismus, denke ich, eines Heldenmodells, das die Möglichkeit globaler agency unterstellt.)

In "The Matador" sieht man Pierce Brosnan an: Er ist nicht mehr Bond. Der Schnurrbart, der Bauch, das Alkoholproblem, das Versagen im Beruf. Bleibt der promiske Zug, aber auch der wird mehr als einmal ins homoerotische Zwielicht gerückt. Es fragt sich nur: In welcher Weise ist Brosnan nicht mehr Bond? Handelt es sich um eine schlichte ironische Inversion, oder um einen Abbau anderer Art? Ist Bond hier nur Zitat und der Film insgesamt nur Tarantino mit Bondrückstand, ein Abbauprodukt also zweier clever, aber problematisch hochgetunter Erzeugnisse zeitgenössischer Filmindustrie, oder ist er mehr, d.h. gezielter Rückbau des Produkts, seine Vereinfachung, die die Notwendigkeit ideologischer Verschleierungen rückgängig macht?

Schlicht, einfach, anders gefragt: Ist die Freundschaft Pierce Brosnans zu Greg Kinnear echt? Ist sie mehr als nur eine weitere Form des Klischees von der Kollision zweier Welten, der des Killers und der des Biedermanns – und wenn ja, wie ließe sich das zeigen, belegen, behaupten? Vielleicht durch den Nachweis von Momenten relativer Funktionslosigkeit. Einem Hin und Her an der Bar in der Nacht, das nicht gleich auf Pointen hinausläuft. Dem Bestreichen der Nase mit üppig viel Sonnencreme. Dem Verzicht auf die Brechung der Emotion und die Denunziation des Biedermanns, ja, der ausdrücklichen und beinah ungebrochenen Liebe des Films zum Verlierer, der "Überführung" (per Sehnsucht nach Normalisierung) der zu Beginn nur invertierten Bond-Figur in den zutiefst bürgerlichen Ehemann.

Das Begehren des Films, könnte man sagen, gilt nicht in erster Linie der lustigen Konfrontation der Welten, nicht dem Gewinn von Humor durch Kontraste, das Begehren gilt tatsächlich dem Unglamourösen. Genauer müsste man sagen: Das Begehren des Films gilt dem Begehren des Unglamourösen, was etwas ganz anderes ist als: der auf Glamour-Gewinne zielenden Darstellung eines solchen Begehrens. Umgekehrt wäre auch das – zweifellos nah am Klischee gebaute - Begehren der Ehefrau nach der Waffe, also dem aufregenden Leben, echt in dem Sinne, dass das Unglamouröse darin nicht denunziert würde. Der Film wäre dann zwar eine Reaktion auf Tarantino, eine Auseinandersetzung mit Brosnan/Bond, aber so, dass da, wo Serialität war, nun ein Charakter und seine Geschichte aufscheinen, da, wo das Begehren dem Glamour galt, nun eine wunderbare Freundschaft entsteht.

Falls das das Projekt des Films ist, dann wäre es etwas anderes als ein bloßes Abbauprodukt von Bond und Tarantino. Eher etwas wie ein gezielt dort platziertes Spatzenei im Nest der Kuckucksfamilie Weinstein.

Mit Dank an Simon, dessen Tarantino-Hinweis diese Überlegungen möglich machte.

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